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Sender: 1 – Kabel: 0

Die Leipziger Betreiberfirma Primacom scheitert als Programmdirektor im Kabel-Fernsehen. Die Ausgliederung einzelner Sender aus dem analogen Angebot ist (noch) nicht zulässig

von STEFFEN GRIMBERG

Homer Simpson kommt zurück auf die Leipziger Bildschirme. Nach einem Urteil des Leipziger Landgerichts muss der TV-Kabel-Betreiber Primacom die in eigener Regie aus dem allgemeinen Angebot ausgegeliederten Sender wie ProSieben und Kabel 1 wieder an alle Kunden liefern.

Primacom hatte als erstes Kabelunternehmen einen Alleingang nach US-amerikanischem Vorbild gewagt und aus dem umfangreichen Free-TV-Angebot eigene Programmpakete geschnürt. Neben einer analogen Rumpfauswahl waren diverse Kanäle nur noch als digitales Zusatzangebot gegen Extragebühren zu empfangen. Das Urteil betrifft bisher nur die aus dem Basisangebot der 70.000 Leipziger Primacom-Haushalte verbannten Kanäle ProSieben, Kabel 1, DSF und tm 3, Prozesse weiterer ins digitale Zeitalter abgeschobenen Sender sind aber noch anhängig.

Damit ist die erste Runde im Kampf ums Kabel an die Sender gegangen: „Jetzt ist gewährleistet, dass die Zuschauer weiterhin freien Zugang zum Free-TV haben“, sagt DSF-Sprecher Andreas Bähren. Zu Ende ist der Streit damit aber noch längst nicht: Primacom hat angekündigt, in Revision zu gehen, und die anderen neuen Herren des Kabels spielen bei der Auseinandersetzung um neue Einnahmequellen bisher nicht einmal mit.

Denn das deutsche Kabelnetz, noch überwiegend in den Händen der Deutschen Telekom, wird nach und nach in Regionalpaketen an internationale Anbieter verkauft. Investorengruppen wie Klesch und Callahan haben der Telekom bereits die Kabelnetze in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg abgekauft.

Diese Unternehmen sollen in den nächsten Jahren die dringend nötige Modernisierung der Netze für das digitale Zeitalter übernehmen. Ziel: Neben TV-und Radiosignalen sollen dann, wie heute schon in den USA und Großbritannien, auch Telefon- und Online-Dienste über das digitalisierte Netz laufen.

Doch bis über solche Zusatzangebote Geld zu verdienen ist, bleibt das Fernsehen das einzige Pfund in der Hand der Kabelanbieter: Sie erhalten zum einen die Gebühren der Kabelkunden, zum anderen müssen die Privatsender für die Verbreitung ihrer Programme zahlen.

Die anstehende digitale Aufrüstung, sagen die Netzbetreiber, sei so aber nicht zu finanzieren. Ihnen schwebt ein Pay-TV-Modell nach amerikanischem Muster vor: Dort stellt der Kabelbetreiber verschiedene Senderpakete zusammen, die dann je nach Anzahl und Attraktivität der Programme unterschiedlich viel kosten. Das Bonbon für die Sender: Die stark Nachgefragten werden an diesen cable fees beteiligt.

Wer in Zukunft dann wirklich Programmdirektor im TV-Kabel spielen darf, ist noch umstritten: Zwar räumt der neue Rundfunkstaatsvertrag den Kabelfirmen größeren Spielraum ein, das „Pflichtprogramm“ – mit bisher ungewissem Umfang – wird aber weiter von den Gremien der Landesmedienanstalten festgelegt.

Doch ganz so abgeneigt, wie die ersten Stellungnahmen zum Primacom-Urteil vermuten lassen, stehen auch die Sender einer „Amerikanisierung“ des TV-Kabels nicht gegenüber: In der Branche werden Gespräche mit den Kabelbetreibern nicht grundsätzlich abgelehnt – sondern nur Alleingänge wie bei Primacom.

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