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Der neuer Vorstand

Management statt Bürokratie: Mexikos neuer Präsident Vicente Fox tritt heute sein Amt an

aus Mexiko-Stadt A. HUFFSCHMID

Vicente Fox, der heute die präsidiale Schärpe angelegt bekommt, hat seinen Landsleuten nicht wenig versprochen: Management und Wettbewerb anstelle von Ideologien und Revolutionsrhetorik, Qualitätskontrollen statt Filz und Seilschaften, Transparenz und Bürgernähe statt Korruption und Kungelei. An Stelle eines Statthalters der mehr als siebzig Jahre währenden Parteiendiktatur – der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) – übernimmt mit dem früheren Coca-Cola-Chef ein Regierungschef, der sich „beraten“ lässt und die Tugend des „Geschäftssinns“ preist, dem nicht die Macht, sondern der Markt über alles zu gehen scheint, das Amt. „Der erste nordamerikanische Präsident, der in Mexiko geboren ist“, resümiert die Kolumnistin Denise Dresser.

Das zeigt sich auch an seiner Personalpolitik. Das neue Kabinett gleicht, wie die Tageszeitung La Jornada anmerkt, „eher einem Unternehmensvorstand als einer Regierung.“ In der Regierung finden sich tatsächlich wenige Parteigänger der konservativen Nationalen Aktion PAN. Ein mächtiger Agrarindustrieller („der Knoblauchkönig“) wird Landwirtschaftsminister und will die 20 Millionen verarmten Kleinbauern in Mexiko zu prosperierenden „Kleinstunternehmern“ machen. Das Arbeitsministerum wird der ehemalige Vorsitzende eines Unternehmensverbandes, Carlos Abascal, übernehmen. Beauftragte für Indio-Angelegenheiten wird die Geschäftsfrau Xochitl Gálvez, die auf dem Wirtschaftsgipfel von Davos als eine der „100 Führungskräfte der Zukunft“ ausgezeichnet worden war – mit indigenen Fragen war Gálvez bislang nur durch karitatives Engagement in Berührung gekommen.

Typisch zweigleisig ist die foxsche Wirtschaftspolitik besetzt. Als künftiger Wirtschaftsminister will der Weltbankökonom Luis Ernesto Derbez vor allem das angeschlagene Klein- und Mittelgewerbe fördern; er hat die „undifferenzierte“ Liberalisierungspolitik seiner Vorgänger stets kritisiert. Sein neuer Kollege, der designierte Finanzminister Francisco Gil Diaz, war unter Präsident Salinas (1988–1994) als Steuerexperte just für jene Politik mitverantwortlich.

Ideologisch nimmt es der Präsident, der sich selbst mit Fidel Castro „prächtig“ verstehen soll, ohnehin nicht allzu genau. So hat Fox den Politologen Jorge G. Castañeda, der als Freihandelskritiker und Linksliberaler gilt, als Außenminister eingesetzt. Auch die Ressorts Nationale und Innere Sicherheit sind mit dem künftigen Sicherheitsminister Alejandro Gertz, bislang Polizeichef der linken Hauptstadtregierung, und Adolfo Aguilar Zinser, ausgewiesener Kritiker einer traditionellen Staats- und Sicherheitsdoktrin, eher unorthodox besetzt.

Mit von der Partie ist die Soziologin und Menschenrechtsaktivistin Marieclaire Acosta, die sich als „Sonderbotschafterin für Menschenrechte“ darum bemühen will, „die Kluft zwischen der offiziellen Menschenrechtsrhetorik und der traurigen Realität zu schließen“.

Trotz aller Wende-Rhetorik, zumindest ökonomisch wird es zunächst beim business as usual bleiben. Das viel zitierte Bemühen um eine Diversifizierung der extrem US-abhängigen Wirtschaftsbeziehungen bezeichnete Außenminister Castañeda dabei freimütig als „eher nutzlos“.

Wichtiger als alle „populistischen“ Versprechungen von Lohnsteigerungen ist die Senkung der Inflation. Und schließlich soll auch der Kampf gegen die Massenarmut – über die Hälfte aller MexikanerInnen lebt an oder unter der statistischen Armutsgrenze – mit Hilfe der Heil- und Produktivkräfte des Marktes geführt werden.

An ebendiesem Credo scheiden sich die Geister. Zwar finden Fox-Vertraute wie der Historiker Enrique Krauze, dass „ein bisschen Managermentalität“ dem Land ganz gut bekommen werde. Bei vielen anderen stößt die Vorstellung einer brachliegenden Mexiko AG, die nun mit modernem Management auf Trab gebracht wird, hingegen auf Befremden. „Coca-Cola verkaufen ist nicht dasselbe wie eine Nation regieren“, merkt der Politologe Rafael Segovia pikiert an. Und im Grunde gehe es Fox längst nicht nur um Marktwirtschaft, sagte der französische Soziologe Alain Touraine bei seinem kürzlichen Mexiko-Besuch, sondern um eine „Marktgesellschaft.“

Wie die Fox-Regierung den korrumpierten und bürokratischen Staatsapparat konkret zu säubern gedenkt, darüber kann derzeit nur spekuliert werden. Zwar hatte Fox schon kurz nach seinem Wahlsieg die Gründung einer unabhängigen „Transparenzkomission“ in Aussicht gestellt. Politische Berater des neuen Präsidenten versichern hingegen, dass es keinesfalls um eine „Hexenjagd“ auf Mitläufer des alten Regimes gehe. Vielmehr sollen die knapp zwei Millionen „burocratas“, die auch dem neuen Staat per Arbeitsvertrag erhalten bleiben werden, in eine „republikanische Aristokratie“ verwandelt werden. Dieses hehre Vorhaben dürfte auf einigen Widerstand stoßen, wie der so genannte Bonus-Krieg Ende Oktober zeigte. Die Sonderprämie ist in keinem Haushaltsposten vorgesehen, wird aber seit 20 Jahren allen Staatsangestellten bezahlt – als Belohnung für politisches Wohlverhalten und Loyalität. Nun hatte der scheidende Präsident Ernesto Zedillo diese Prämie erstmals verweigert. Tagelang war die Hauptstadt von demonstrierenden Bürokraten blockiert, bis die Zahlung zugesichert war. Dieser Arbeitskampf war vermutlich nur ein kleiner Vorgeschmack auf die Zerreißproben, die der künftigen Regierung im Umgang mit einer verwaisten PRI-Basis bevorstehen.

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