„Ich ermutige jeden, Flüchtlingen auch illegal zu helfen“

taz: Heute reden die Justiz- und Innenminister in Brüssel über Mindesthöchststrafen für Schleuser. Wie stehen Sie dazu?

Ilka Schröder: Definiert wird im Entwurf der Justizminister erst mal, was Schleuser sind. Dahinter steckt eine Ausweitung des Konzepts der Organisierten Kriminalität: Schon eine Gruppe ab zwei Personen, die Flüchtlingen auf welche Art auch immer helfen, illegal in die EU einzureisen, fällt darunter. Das bedeutet eine Kriminalisierung von allen Leuten, die Flüchtlingen helfen.

Was wäre Ihre Alternative?

Da eine offene Europäische Union mit offenen Grenzen in nächster Zeit nicht umgesetzt wird, würde ich jede Person ermutigen, Flüchtlingen auch illegal zu helfen – weil es legal eben kaum noch möglich ist.

Es gibt ja auch Schleuser, die machen das, um viel Geld zu verdienen, und nehmen dabei billigend in Kauf, dass die Flüchtlinge es vielleicht nicht überleben. Wie beurteilen Sie das?

Es gibt unterschiedliche Motive, Leuten zu helfen, in die EU einzureisen. Es ist eine Dienstleistung, die in der Illegalität teurer ist, als sie es legal wäre. Ich denke nicht, dass es das Hauptinteresse der allermeisten FluchthelferInnen ist, die Leute umzubringen, sondern sie eben zu transportieren. Viele Flüchtlinge kommen ja gerade dann um, wenn die Boote in der Adria zum Beispiel von der Grenzpolizei gejagt werden. Dann passieren die meisten Unfälle. Und die politische Antwort darauf muss sein, legale Einreisemöglichkeiten zu schaffen und nicht jene zu kriminalisieren, die diesen Leuten helfen wollen.

Sie kennen sicher die Kommissionsentwürfe zu Asyl und Migration. Sind die in Ihrem Sinne?

Das ist eine Öffnung gegenüber dem Standpunkt Null-Immigration. Ich bin aber weiter der Meinung, dass Flüchtlinge nicht aufgrund der ökonomischen Nutzbarkeit für die EU ausgewählt werden sollten. Emigration – das ist einfach nur ein Umzug über Ländergrenzen hinweg. Das sollte ein gutes Recht von allen Leuten sein.

Verstehe ich Sie richtig, dass für Sie eine gelungene EU-Immigrationspolitik darin bestünde, auf jegliche Grenzkontrollen zu verzichten?

Ja.

INTERVIEW: DANIELA WEINGÄRTNER