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Gesundes Zuhause gesucht

Multiple Chemical Sensitivity: Bärbel Schöne ist ständig auf der Suche  ■ Von Sandra Wilsdorf

In den vergangenen zehn Jahren hat sie in mindestens 20 verschiedenen Wohnungen oder Zimmern gewohnt, Hunderte besichtigt und Tausende von Mark für Umweltanalysen ausgegeben. Mal hatte sie zwei Behausungen gleichzeitig, mal gar keine. Die vergangenen Wochen hat sie in Jugendherbergen verbracht. In den Achtbett-Zimmern ging es ihr zwar auch nicht gut, aber immerhin besser als zu Hause. Bärbel Schöne leidet seit zehn Jahren unter MCS (Multiple Chemical Sensitivity), einer schweren Allergie gegen unterschiedlichste chemische Stoffe. Die Umweltkrankheit MCS ist in Deutschland noch wenig bekannt, anders als in den USA.

An Bärbel Schönes aktueller Krise war das Teppichshampoo schuld, mit der die Vermieter, die zwei Stockwerke unter ihr wohnen, den Teppich gereinigt hatten. „Ich kam vom Einkaufen und bekam plötzlich Krämpfe im Kopf, mir wurde schwindelig, und der ganze Körper tat weh.“ Als sie bei den Vermietern vor der Tür stand, „verschwamm es mir vor den Augen“, trotzdem dauerte es, bis sie gemeinsam darauf kamen, dass es an dem Shampoo liegen muss.

So wie jetzt geht es ihr, seit sie diese Krankheit hat. Immer wieder musste sie weg, weil irgendwo im Haus irgendjemand irgendetwas getan hat, was harmlos scheint, aber ihren Körper rebellieren lässt. Immer wieder hat sie neue Wohnungen gemietet, „in die ich oft gar nicht einziehen konnte, wegen der Belastungen“. Das ruinierte ihre Gesundheit, ihre Psyche und ihren Geldbeutel. Sie hofft noch immer: „Vielleicht ein Anbau von einem Haus, so dass man von den Nachbarn nichts abbekommt oder eine Wohnung, die nicht renoviert sein dürfte und mit gefliestem Boden.“

Es begann beim Streichen ihrer damaligen Wohnung: „Plötzlich hatte ich die schlimmsten Symptome.“ Bohrender Kopfschmerz, Krämpfe, Schwindel. Sie verließ die Wohnung, wohnte bei den Eltern, bei Freunden. Wenn sie wieder nach Hause kam, begann alles von vorn. Deshalb war sie völlig sicher, dass die Farbe sie krank machte. „Ich war bis dahin ein gesunder und glücklicher Mensch mit einem wunderschönen Beruf.“ Schauspielerin. Ein halbes Jahr später hatte sie die Diagnose: MCS. Heute ist sie Frührentnerin und ständig auf der Flucht.

In den ersten Jahren ist sie häufig bei Freunden untergeschlüpft. „Heute habe ich keine mehr, außer einigen aus der Selbsthilfegruppe.“ Eine davon ist Sabine Schulz, sie hat seit 15 Jahren MCS. Auch ihr Freundeskreis ging wegen der Krankheit in die Brüche. „Die Leute denken ja, man spinnt“, sagt sie. Sie wohnt in einer Wohnung der Kaifu-Genossenschaft. „Der Hausmeister ist nett, der legt mir Zettel in den Briefkasten, wenn renoviert wird. Dann packt Frau Schulz die Koffer und haut ab.“ Aber das kostet Geld. „Im Sommer war ich zwei Monate auf Helgoland. Da ging es mir auch total schlecht, und es hat mich finanziell ruiniert.“ Nun weiß sie nicht mehr, wie es weitergehen soll: „Ab Januar wird saniert, dann sitze ich auf der Straße.“ Man habe ihr ein paar Ersatzwohnungen angeboten, aber die wären nichts gewesen.

Die Frauen wollen ein Wohnprojekt ins Leben rufen, in denen MCS-Kranke leben können. Dafür suchen sie Mitstreiter – Kranke wie Gesunde – und Geldgeber.

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