: „Die kochen auch nur mit Wasser“
■ 100 Jugendliche probten drei Tage lang den Ernstfall: Jugend im Parlament ist vorbei / Interview mit Ex-Vize-Präsidentin Hanna Domeyer
Ausschüsse, Vorsitze, Resolutionen – alles wie bei den „richtigen“ Parlamentariern: Bei „Jugend im Parlament“ redeten sich 100 Jugendliche drei Tage lang die Köppe heiß. taz-Praktikantin Hanna Domeyer, 19, war Vize-Präsidentin des Parlaments und erzählt im Interview von ihren Eindrücken.
taz : Warum wolltest du bei „Jugend im Parlament“ dabei sein?
Hanna Domeyer: Weil ich mich für Politik interessiere. Was da auf mich zukommt, wusste ich nicht.
Und warum interessiert dich Politik?
Letztendlich ist Politik doch das, wodurch man am meisten verändern kann.
Dein Fazit nach drei Tagen „Jugend im Parlament“: Kann man verändern?
Ich glaube schon. Wenn man ein bisschen weiß, was man will, kann man seine Forderungen laut machen. Politik ist nicht so schwer. Die kochen auch nur mit Wasser.
Ist Politik also mehr Schein als Sein?
Nicht unbedingt. Ich hatte zuerst befürchtet, dass es ganz stark ums Profilieren und um Machtspiele geht. Aber das hielt sich in Grenzen. Ungefähr 20 von den 100 Jugendlichen waren in irgendeiner Weise organisiert. Man hat schon gemerkt, dass die sich besser in Szene setzen konnten. Aber ich finde nicht, dass deren professionelles Gehabe die Veranstaltung gesprengt oder auch nur verzerrt hat. Wir haben inhaltlich sehr gut diskutiert.
Wie wird man denn Vize-Präsidentin in einem solchen Parlament?
Indem man sich bewirbt. Ich hab' mich vorgestellt und gesagt, dass ich es richtig finde, dass Jugend sich ihren Platz erkämpft, wo sie doch sonst sowieso immer untergebuttert wird. Und dass wir an manchen Stellen sogar besser diskutieren können und mehr wissen als „richtige“ Parlamentarier. Daraufhin wurde ich gewählt. Für das Amt der Präsidentin habe ich mich gar nicht erst beworben - ich wusste nicht, ob ich als ehemalige Schülerin die Gesamtinteressen noch genügend vertreten könnte.
Aber am dritten und letzten Tag musstest du es ja doch übernehmen...
Stimmt...
Was war passiert?
Die Präsidentin Julia Beyer hatte die Sache nicht richtig im Griff.
Warum nicht?
Sie hat das alles wohl nicht so ernst genommen. Morgens hatten wir immer eine Besprechung mit der Pressesprecherin der Bürgerschaft, wo sie uns erklärte, was für den Tag ansteht. Da hat Julia Beyer nie mitgeschrieben und war dann in den Sitzungen immer auf Hilfe angewiesen. Naja, irgendwann hat einer einen Antrag gestellt, die Präsidentin durch die Vize-Präsidentin zu ersetzen. Dann rief jemand dazwischen, das gehe gar nicht, dazu müssten wir ein Misstrauensvotum stellen, aber das gebe es gar nicht in unserer Geschäftsordnung. Worauf der Erste wiederum einen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung gestellt hat, was auch durchging. Wir waren da oben im Präsidium völlig durcheinander und waren ohnehin so unter Zeitdruck. Statt das Misstrauensvotum durchzuziehen haben wir uns geeinigt, dass ich einfach nur die Moderation übernehme.
Apropos Zeitdruck: Darüber haben sich ja einige beschwert.
Zu Recht. Am ersten Tag waren wir nur mit Organisatorischem beschäftigt. Und auch an den anderen beiden Tagen war das Programm viel zu dicht. Deshalb hatten wir keine Zeit zur besseren Ausarbeitung. Das ärgert mich auch.
Eigentlich, so könnte man dabei denken, sieht das Ganze nach einer Prestigegeschichte aus: Die Alten lassen die Jungen auf ihren Plätzen sitzen und geben sich ganz jugendfreundlich. In Wirklichkeit aber musstet ihr ein enges Programm ganz schnell durchpeitschen.
Das kann man so sehen, aber ich finde, wir haben durch die offene Atmosphäre eine Menge mitgenommen. Und ausgedrückt, was uns wichtig ist. Wir haben zum Beispiel auch eine Stunde über Sinn und Unsinn der ganzen Veranstaltung diskutiert – das war gar nicht vorgesehen. Eigentlich geht es jetzt ja darum, was die Bürgerschaft mit unseren Resolutionen macht.
Und du? Wirst du jetzt Politikerin?
Ich weiß es nicht.
Fragen: sgi
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