Präsident Estradas Zukunft steht auf dem Spiel

In den Philippinen beginnt heute das Amtsenthebungsverfahren gegen das Staatsoberhaupt. Der Druck der Straße kann entscheidend sein

BANGKOK taz ■ Die Straßen von Manila sind voller Demonstranten und die Zuschauerplätze im Senat heiß umkämpft. Das Fernsehen will die spannendste politische Veranstaltung seit dem Ende der Marcos-Diktatur in den Achtzigerjahren direkt übertragen: Heute beginnt in der philippinischen Hauptstadt das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Joseph Estrada.

Vor einem Tribunal aus 22 Senatoren und dem Vorsitzenden Richter des Obersten Gerichtshofs muss der Regierungschef sich gleich gegen vier Vorwürfe verteidigen: Bestechlichkeit, Korruption, Amtsmissbrauch und Verfassungsbruch.

Was das Verfahren besonders pikant macht, ist die Schar der Belastungszeugen und -zeuginnen, die von der Anklage aufgeboten werden sollen: Dazu gehört nicht nur ein halbseidener Provinzgouverneur, der seinem früheren Freund Estrada persönlich Schmiergelder in Millionenhöhe überbracht haben will. Dazu zählen vor allem auch die Ehefrau und bis zu fünf Freundinnen des Präsidenten, die er großzügig mit Häusern und Posten beschenkt haben soll.

Gouverneur Luis Singson, ein alter Trink- und Glückspielkumpel des Präsidenten, hatte den Prozess im Oktober ins Rollen gebracht, als er vor laufenden Kameras behauptete, Estrada habe von ihm seit seinem Amtsantritt 1998 über 16 Millionen Mark aus illegalen Glücksspielgeschäften erhalten. Dazu sollen noch 4 Millionen Mark aus lokalen Tabaksteuern auf Estrada-Konten geflossen sein.

Beweise legte Singson zunächst nicht vor. Estrada weist alle Vorwürfe zurück und lehnt es bislang auch ab, freiwillig vor dem Ende seiner Amtszeit im Jahr 2004 zurückzutreten. Der Ausgang des Verfahrens ist keineswegs klar: Ob die nötigen zwei Drittel – das heißt 15 – der Senatoren einer Amtsenthebung zustimmen werden, hängt vor allem vom Druck der Straße ab, heißt es in Manila. Denn einige der Juroren müssen sich im nächsten Jahr zur Wahl stellen.

Die Öffentlichkeit ist tief gespalten. Sowohl Estrada als auch seine Gegner haben in den letzten Wochen Hunderttausende Menschen auf die Straße gebracht. Dabei bildeten sich erstaunliche Koalitionen: Anwälte, Geschäftsleute und linke Gewerkschafter forderten zum Beispiel gemeinsam den Rücktritt des Regierungschefs. Auf der anderen Seite versprachen Estradas Anhänger, die Armen und fundamentalistische Christen, dem seit seiner Schauspielerzeit beliebten Politiker weiter ihre Unterstützung. JUTTA LIETSCH