: Spielkreise zu Kindergärten
■ Drei Kirchengemeinden klagen erstmals gegen die Stadt Bremen, damit ihre Spielkreise als Kindergärten anerkannt und besser finanziell unterstützt werden
Ist es in Ordnung, dass der Spielkreis einer Kirchengemeinde Aufgaben eines Kindergartens übernimmt, finanziell möglicherweise jedoch deutlich schlechter gestellt ist? Mit dieser Frage muss sich ab heute das Verwaltungsgericht beschäftigen. Erstmals wollen drei evangelische Kirchengemeinden gerichtlich durchsetzen, dass die Stadt ihre Spielkreise als Kindergärten anerkennt – und entsprechend finanziell unterstützt.
Eine der Klägerinnen ist die Matthias-Claudius-Gemeinde in der Neustadt. Hier kümmern sich im Kellergeschoss zwei fest angestellte Erzieherinnen um 28 Jungen und Mädchen, fünf Tage die Woche von 8.30 bis 12.30 Uhr. Danach gibt es einen von den Müttern organisierten Mittagstisch für einige der drei- bis sechsjährigen Kinder, die eigentlich einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz haben. Drei Wochen im Jahr ist die Einrichtung zu – ganz wie die staatlich anerkannte Konkurrenz.
„Wir machen hier die Arbeit eines Kindergartens“, sagt Pastorin Lilo Eurich, die es „ungerecht“ findet, dass dies von Seiten der Stadt nicht entsprechend honoriert wird. Dadurch habe die Kirchengemeinde handfeste finanzielle Nachteile, so Eurich. Spielkreise bekommen mit monatlich 220 Mark pro (Kinder-) Nase nur etwa die Hälfte der städtischen Zuschüsse, die ein Kindergarten erhält. Dies habe jedoch zur Folge, dass man die Elternbeiträge nicht staffeln könne, sagt die Pastorin. Auch flexiblere Öffnungszeiten seien bei dieser Finanzierung nicht möglich.
In der Matthias-Claudius-Gemeinde zahlen Eltern einkommensunabhängig 192 Mark im Monat – zuviel für einkommensschwache Väter und Mütter, wie Eurich meint. Bei Sozialhilfeempfängern zahle die Kirchengemeinde zwar zu – aber das könne man nur im begrenzten Maße durchhalten. Überdies: Die – städische – Kindergarten-Konkurrenz, bei der die regulären Beiträge bei 50 Mark beginnen sollen, befindet sich auf der anderen Straßenseite.
Die Zukunft des Spielkreises, der aus Sicht der Kirchengemeinde keiner ist, steht offensichtlich auf so wackligen Füßen, dass die Mitarbeiterinnen alle Jahre wieder die Schließung befürchten. Und das wäre auch aus Pastorinnensicht eine Katastrophe: Für Eurich hängt das Überleben der Gemeinde davon ab, dass der Spielkreis weiter existiert. Die Tageseinrichtungen sind ein wichtiges Rekrutierungsfeld der Kirchen für jungen und erwachsenen Gemeindenachwuchs. Das ist in Sodenmatt und Oslebshausen vermutlich nicht viel anders. Alle drei Gemeinden haben vergeblich beantragt, dass ihre Spielkreise als Kindergärten anerkannt werden.
Den Klägern geht es nach Auskunft ihres Rechtsanwalts, Matthias Westerholt, vor allem darum, verlässliche vertragliche Rechtsgrundlagen für ihre Arbeit zu bekommen. Und: Man wolle nicht weiter vom Wohl und Wehe der Stadt abhängig sein. Damit spielt der Jurist – zugleich Vorsitzender des Vereins „Kinder haben Rechte“ – auf den 50.000-Mark-Härtefonds für Spielkreis-Kinder an, der seit einigen Jahren existiert und an dem Stadt und Kirche beteiligt sind. In einer der Gemeinden spricht man von „Gnadenakt“.
Auch der Landesverband evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder, der die Klage inhaltlich unterstützt, kritisiert, dass in den Spielkreisen lediglich ein „Stück Verfügungsmasse“ gesehen werde. Die BEK selbst, die eher auf den Verhandlungsweg setzt, hält sich vornehm zurück. Insgesamt gibt es in Bremer Kirchengemeinden 24 staatlich unterstützte Spielkreise, teilweise parallel zu Kindergärten.
Dr. Heidemarie Rose, Abteilungsleiterin des Bereichs „Jugend“ im Sozialressort, sieht in der ganzen Angelegenheit indes eher einen Streit ums Prinzip. Ihrer Meinung nach ist die Höhe der städtischen Zuschüsse für Spielkreise nämlich durchaus gerechtfertigt, da diese „doch ein etwas anderes Angebot als Kindergärten“ hätten. „Unsere Konditionen reichen aus“, sagt sie. Schließlich gebe es in Bremen auch Spielkreise mit gestaffelten Beiträgen. „Manche Gemeinden schaffen es“, so Dr. Rose, „manche kommen nicht damit hin“. Auch beim Härtefonds gehe es nicht um Willkürakte. Hier gebe es klare Regelungen.
Außerdem: Spielkreise seien zwar eine gute Sache, sie blieben aber ein freiwilliges Angebot der Kirchen. Einige davon seinen in der Vergangenheit auch schon in Kindergärten umgewandelt worden. Roses Einschätzung: „Es wird dem Gericht schwerfallen, echte Benachteiligung festzustellen“.
Ob heute überhaupt etwas entschieden wird, ist allerdings unwahrscheinlich: Wie zu hören ist, soll das Verfahren aus formellen Gründen gleich wieder ausgesetzt werden. hase
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