: I Believe In Yoko O ...
Der enttäuschende Lohn für einen heroischen John-Lennon-Gedächtnis-Subotnik
Wie soll man heutigen Jugendlichen erklären, was für uns der Tod von John Lennon bedeutete? Vielleicht so: Stellt euch vor, im selben Auto wie Lady Di hätten Britney Spears, Norman Cook, Madonna, Eminem, The Offspring, Jennifer Lopez und alle von Fünf Sterne de Luxe gesessen. Dicht gequetscht auf der Rückbank. Und es käme im Radio die Nachricht, diese ganze Bande sei bei jenem berühmten Unfall mit draufgegangen. Alle futschi, mausetot. Könnt ihr euch das vorstellen, ja? Nützt aber nichts. Denn selbst der kollektive Tod all dieser Popstars könnte bei euch nicht die Erschütterung hervorrufen, die wir damals bei Lennons Tod empfanden.
Ich meine, echte Erschütterung, nicht halbgares Teenie-Geflenne. Etwas, das einen zwingt, Zeichen zu setzen, zu handeln, große Dinge zu tun. So wie uns. Wir handelten. Kaum war die Nachricht vom Lennon-Attentat in der Welt, hatten wir den Plan schon gefasst. Ein gespraytes Lennon-Zitat sollte die Bewohner unserer Heimatstadt Bielefeld für die nächsten Jahre daran erinnern, dass das größte Popgenie aller Zeiten von uns gegangen war.
Unsere Wahl fiel auf das Bekenntnis, das Lennon auf seinem ersten Solo-Album in dem Song „God“ abgibt. Hier zählt er auf, woran er alles nicht glaubt, wobei sich die Zeile „I don`t believe“ vor jedem Substantiv wiederholt. „I don`t believe in magic, I-ching, Bible, tarot, Hitler, Jesus, Kennedy, Buddha, Mantra, Gita, Yoga, kings, Elvis, Zimmerman, Beatles.“ Dann kommt die Wende: „ I just believe in me. Yoko and me.“ Genau dieses schöne, pathetische Endloszitat, fanden wir, wäre der Größe Lennons angemessen. Glücklicherweise steht in Bielefeld eine riesige Uni und daneben das längste Uni-Parkhaus der Welt. Auf seiner 300 Meter langen Betonwand sollte das Lennon-Zitat in mindestens ein Meter hohen Lettern prangen. Und so standen denn Hans, Tom und ich in der Nacht nach Lennons Erschießung vor diesem Klotz und begannen zu sprühen.
Es lief sehr gut, und nach rund einer halben Stunde waren wir fertig. Das heißt: fast fertig. Nur „Yoko and me“ fehlte noch. Und da passierte es. Gerade hatte Tom damit begonnen, das Y von Yoko zu sprühen, rauschte ein Auto an. Heraus sprangen ein paar Wachleute, die uns sofort hopsnahmen. Scheiße, wir hätten es wissen müssen: Bei Yoko, der alten Hexe, geht immer etwas schief. Die Uni würde uns angesichts der voll gesprühten Riesenwand mit horrenden Schadenersatzforderungen überziehen, das war klar. Trotzdem waren wir nicht beunruhigt. Wir hatten nämlich die Absicht, an Frau Ono einen Brief zu schreiben, in dem wir sie bitten wollten, die Forderung der Uni zu begleichen. Wir waren fest davon überzeugt, dass Lennons Witwe die Summe ohne weitere Umstände überweisen würde. Erstens war sie stinkreich, und zweitens war alles ihre Schuld.
Dass es am Ende anders kam, lag an der Bielefelder Uni-Verwaltung. Die machte uns einige Wochen nach dem Farbanschlag einen Vorschlag. Wenn wir „die Schmiererei“ wieder entfernten, wollte man die Sache auf sich beruhen lassen. Weil wir nichts von Yoko gehört hatten, nahmen wir das Angebot zähneknirschend an.
Einen halben Tag waren Hans und ich bei lausiger Kälte beschäftigt, mit Stahlbürsten und Abbeizer das herrliche Lennon-Zitat wieder aus dem Beton zu kratzen. Als wir endlich beim Yoko-Y angelangt waren, fanden wir einen Zehn-Mark-Schein im Schnee. Die körperliche Arbeit hatte uns so erschöpft, dass wir halluzinierten. Wir glaubten tatsächlich, „sie“ hätte den Schein dort hingelegt. Zehn miese Mark, das war alles, was diese Kuh für unseren heroischen John-Lennon-Gedächtnis-Subotnik übrig hatte. In diesem Moment waren wir mit Yoko fertig. Auch die Erschütterung hat sich inzwischen gelegt. CHRISTIAN SCHMIDT
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