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Gemeinsam haben Bundesregierung und Opposition die Einrichtung eines Instituts für Menschenrechte beschlossen. Es soll auch Übergriffen im Inland nachspüren. Um seine Unabhängigkeit zu wahren, hat die Regierung im Kuratorium keine Stimme
von NICOLE MASCHLER
Den entscheidenden Antrag brachten Regierungs- und Oppositionsfraktionen gestern gemeinsam ein: „Der Deutsche Bundestag spricht sich für die Gründung eines unabhängigen Deutschen Instituts für Menschenrechte aus.“
Das war nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Im Dezember 1996 hatte das „Forum Menschenrechte“, ein Zusammenschluss von 40 nichtstaatlichen Organisationen, einen ersten Vorstoß unternommen. Ein Menschenrechtsinstitut sollte Forschung und Bildungsarbeit betreiben, den menschenrechtspolitischen Dialog führen, die Menschenrechtsarbeit in Deutschland koordinieren und Projekte im Ausland unterstützen. Doch das Projekt scheiterte am Widerstand der Kohl-Regierung.
Im Koalitionsvertrag versprach Rot-Grün, die Schaffung eines Menschenrechtsinstituts zu „unterstützen“. Denn das Parlament soll das Projekt nur anschieben. Die zunächst fünf Mitarbeiter sollen „eigeninitiativ und unabhängig“ arbeiten.
Allein mit der Unabhängigkeit ist das so eine Sache. Eine Million Mark sind im Haushalt 2001 für das Institut vorgesehen – eine eher bescheidene Summe. Geldgeber sind Justiz- und Entwicklungshilfeministerium sowie Auswärtiges Amt. Nach zwei Jahren soll geprüft werden, ob sich der Finanzierungsmodus bewährt hat. Oder „ob indirekt Einfluss genommen wurde“, wie Barbara Lochbihler, Generalsekretärin der deutschen Sektion von amnesty international, betont. Denn wer Geld gibt, will auch mitreden.
Hinter den Kulissen rangen Initiativen, Ministerien und der Menschenrechtsausschuss im Bundestag bis zum Schluss um Konzepte und Kompetenzen. Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) liebäugelte mit einem wissenschaftlichen Institut, das ihr eigenes Ressort entlastet und systematisch die europäische und internationale Rechtsprechung zum Thema archiviert. Gerade kleinere Menschenrechtsorganisationen fürchteten, an den Rand gedrängt zu werden. Auch die Vorsitzende des Menschenrechtsausschussess, Claudia Roth (Grüne), verwahrte sich gegen eine inhaltliche Einflussnahme der Exekutive.
Das Innenministerium betrachtete die Idee stets mit Argwohn, soll das Institut doch auch Verstöße in Deutschland anprangern. „Wer im eigenen Haus die Verhältnisse nicht kritisiert, kann dies auch im Ausland nicht tun“, glaubt Barbara Lochbihler. Bei Militär und Polizei komme es auch immer wieder zu Übergriffen, sagte sie der taz.
An der Unabhängigkeit des Instituts hat Lochbihler keinen Zweifel. „Die Richtlinien werden im Kuratorium festgelegt. Dort ist die Regierung zwar vertreten, hat aber kein Stimmrecht.“ In dem 16-köpfigen Gremium werden unter anderem Vertreter des Forums sowie die Bundestagsabgeordneten Rudolf Bindig (SPD) und Hermann Gröhe (CDU) sitzen. Im Frühjahr sollen die Gründungsdirektoren benannt werden. Wann das Institut seine Arbeit aufnimmt, ist unklar.
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