The Only Thing You Done Was Yesterday

John Lennon als Arschloch ■ Man muss nicht lange forschen. Dreieinhalb Seiten in die berüchtigte John-Lennon-Biografie von Albert Goldman hinein und das altbekannte Bild vom sanften Künstler mit Ambitionen zum Hausmann ist zerstört: Der Mann war ein ausgesuchtes Arschloch. Genial vielleicht, aber ein Arschloch. Hinter dem Friedensengelchen und Sensibelchen lauerte ein ständig zugedrogter Klugscheißer. Weil das aber mit den Jahren kollektiv verdrängt wurde, bebildern noch heute phantasielose Fernsehredakteure mit der Heulsusenhymne „Imagine“ ihre Beiträge zur Friedensbewegung - trotz deren zynischer Grundaussage: Man muss nur fest dran glauben, dann wird alles gut. Erzähl das mal jemandem in Ruanda.

So war Lennon. Seine Monologe zur Weltlage waren berüchtigt. Lennon hielt nicht nur die Beatles für berühmter als Jesus, sondern sich auch noch für schlauer als Gott. Sein Verfolgungswahn nahm spätestens in den 70-ern groteske Züge an.

Doch die öffentliche Person Lennon war geradezu ein Sympath. Vor allem das Bild vom liebevollen Ehemann und Vater ist ein Produkt nachträglicher Verklärung. Als junger Mann schrie er seine Freundinnen bei Streits einfach nieder. Bei der Scheidung von Cynthia feilschte er um jedes Pfund und klagte auf Ehebruch, obwohl er selbst längst mit Yoko Ono zusammen lebte. Für Julian zahlte Millionär Lennon erbärmliche 2.400 Pfund jährlichen Unterhalt. Seine väterlichen Bemühungen beschränkten sich meist auf Fernsehen mit Sean. Der Rückzug ins Private des Dakota-Building war vor allem Neurose, weil Lennon der Kontakt zu anderen Menschen unerträglich wurde.

Wer einen Song wie „Happiness is a Warm Gun“ schreiben konnte, kann kein ganz schlechter Mensch gewesen sein. Sollte man meinen. Oder besser: Möchte man glauben. Und das ist wohl der Fehler. John Lennon schrieb wundervolle Musik. Ein Arschloch war er trotzdem. THOMAS WINKLER

THOMAS WINKLER war eher Velvet-Underground-Fan, aber nicht weil Lou Reed das noch größere Arschloch ist.