: Ärger im Museum: Wer regiert in Übersee?
■ Der Personalrat des Übersee-Museums geht vor Gericht, weil Senator Schulte seinen Geschäftsführer durchdrückte
Der Streit im Übersee-Museum geht in die nächsten Runde. Die MitarbeiterInnen des Übersee-Museums akzeptieren Jürgen Janke nicht als Geschäftsführer. Was sich vor zwei Wochen mit einer Unterschriftenliste ankündigte, hat sich in der gestrigen Personalversammlung bestätigt: 45 von 50 anwesenden Mitarbeitern forderten, dass der Personalrat die Bestallung ablehnt und sich für eine neue Ausschreibung einsetzt. Das Problem: Der Stiftungsrat unter Führung von Kultursenator Bernt Schulte (CDU) hat Tatsachen geschaffen. Schon am Tag nach dem Beschluss wurde Janke eingestellt. Die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung des Personalrats war damit ausgehebelt. Deshalb ziehen die Mitabeitervertreter nun vor das Verwaltungsgericht. Per einstweiliger Verfügung wollen sie das Recht zur Mitbestimmung erstreiten.
Janke war bereits zwei Jahre kommissarischer Geschäftsführer des Museums. Als die Stelle schließlich ausgeschrieben wurde, bewarb er sich vergeblich – auch weil sich die Direktorin Viola König und die Belegschaft gegen ihn ausgesprochen hatten. Der Wunschkandidat, studierter Kunsthistoriker und Ökonom, sagte jedoch aus persönlichen Gründen ab. Der Personalrat vermutet, der Favorit sei damals bewusst abgeschreckt worden, da das im Stiftungsrat vertretene Finanzressort unbedingt Janke durchsetzen wollte. Damit, so heißt es im Museum, wären zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Einerseits sei der altgediente SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Janke mit einem Posten versorgt, andererseits hätte der Finanzsenator einen „direkten Draht“ ins Museum, was die Umsetzung von Einsparvorgaben erleichtere.
Allein, im Stiftungsrat war Janke nicht durchsetzbar. Man entschied sich für eine besser platzierte Neuausschreibung. Dann kam die Nachricht, die alles auf den Kopf stellte: Die Direktorin Viola König wird höchstwahrscheinlich ans Berliner Museum für Völkerkunde wechseln. Damit wäre sowohl eine Janke-Gegnerin aus dem Weg, als auch ein Grund für dessen Einstellung gefunden: „Wir wollten eine Doppelvakanz an der Spitze des Museums vermeiden“, sagt Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann.
„Darum ging es doch gar nicht“, kontert König, „nach Berlin würde ich erst gehen, wenn die Nachfolge geregelt wäre. Und die Geschäftsführer-Stelle hätte bei ernsthafter Suche zum Jahresende besetzt sein können.“ Sie ist sich sicher, dass die Nachricht von ihren Berliner Verhandlungen gezielt lanciert wurde, um den Weg für Janke zu ebnen. Der will den Job nun machen – auch gegen den Widerstand der Belegschaft: „Im Arbeitsalltag erlebe ich die Mitarbeiter als kooperativ.“ Im Haus ist Anderes zu hören: „Wenn Janke bleibt, machen wir hier alle nur noch Dienst nach Vorschrift“, sagt eine Angestellte.
Für Katrin Rabus von der Kulturinitiative Anstoß wäre das eine Katastrophe: „In Kulturbetrieben ist ein absolutes Vertrauensverhältnis zwischen künstlerischer und kaufmännischer Leitung unabdingbar.“ Wie die Behörde im Fall Übersee-Museum vorgehe, diskreditiere den Prozess der Entlassung von Kultureinrichtungen in die Selbständigkeit, den Anstoß eigentlich zunächst positiv gesehen habe. Die Initiative fordert jetzt eine Neuausschreibung. Ähnlich sieht das der Freundeskreis des Museums: „Gibt es ein privates Unternehmen, in dem ein leitender Angestellter entlassen und dann gegen den Widerstand fast aller Mitarbeiter eingestellt werden könnte?“, fragen die Museumsfreunde in einem offenen Brief. Sie wollen, dass jetzt ein Head-Hunter mit der Suche nach Kandidaten für beide Leitungsposten beauftragt wird.
Jan Kahlcke
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen