zahl der woche: Durchschnittliche Arbeitslose
Russische Sprichwörter und deutsche Statistiken
von NICK REIMER
Der Dorfteich war im Durchschnitt ein Meter tief, und trotzdem ist die Kuh ersoffen, besagt ein altes russisches Sprichwort. Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit kostete im vorigen Jahr jeder registrierte Arbeitslose den Staat 37.000 Mark – im Durchschnitt. Er gibt einen Monatsbetrag von knapp 3.100 Mark. Ein hübsches arbeitsloses Sümmchen, könnte man meinen. Aber an das alte russische Sprichwort denken!
Dem anstaltseigenen Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge kostete 1999 die Arbeitslosigkeit 150 Milliarden Mark – im Westen Deutschlands 105 Milliarden, im Osten 45 Milliarden Mark. IAB-Experte Eugen Spitznagel: „Höhe und Struktur dieser Kosten sind sehr unterschiedlich. Sie hängen davon ab, ob es sich um Empfänger von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder um Personen handelt, die keine Lohnersatzleistungen beziehen.“ 45 Prozent der monatlichen Kosten von 3100 Mark ergeben sich aus entgangenen Einnahmen bei Steuer und Sozialbeiträgen. Lediglich 55 Prozent werden als Arbeitslosengeld oder -hilfe ausgegeben. Macht nach unserer Rechnung 1700 Mark. Darin enthalten sind die Sozialbeiträge des Arbeitslosen. Und allein für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und zur beruflichen Weiterbildung wurden im vorigen Jahr 20 Milliarden Mark ausgegeben. Zieht man diese von den 1.700 Mark ab, bleiben 1.470 Mark - durchschnittlich.
Das IAB wollte auch nicht das Salär des Durchschnittsarbeitslosen ermitteln. Es ging darum, Bundesfinanzminister Hans Eichel ein trockenes Plätzchen zu verschaffen: 150 Milliarden Mark – so wenig wie seit 1996 nicht mehr. Dank des Rückgangs der Arbeitslosigkeit musste Eichel 1999 5,5 Milliarden weniger für Arbeitslosigkeit berappen, als sein Vorgänger 1998. Auch die Arbeitslosen leisten also ihren Beitrag zu Eichels Markenzeichen Sparminister – durchschnittlich gesehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen