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Gläserne Briefeschreiber

Post will elektronische Briefmarke für Verbraucher und Unternehmen einführen. Datenschützer fürchten die Erstellung von Kundenprofilen, die Post sieht sich rechtlich abgesichert. EU-Parlamentarier will Briefmarke aus Datenschutzgründen kippen

von MARKUS L. BLÖMEKE

Die Deutsche Post AG will, dass sich ihre Kunden die Briefmarken künftig selber basteln: „PC-Frankierung“ heißt das Konzept, mit dem die Post ab August 2001 Privatleute sowie kleinere und mittlere Unternehmen von der konventionellen Briefmarke abbringen will. Das Prinzip: Der Postkunde lädt sich mit Hilfe einer Spezialsoftware einen so genannten Matrixcode aus dem Internet. Den druckt er anschließend anstelle einer Briefmarke auf den Umschlag. In den Briefzentren der Post sollen dann Lesegeräte den aufgedruckten Code auf Echtheit überprüfen.

Doch genau diese Überprüfung jagt Datenschützern Schauer über den Rücken. Denn die Post kann aus dem Code nicht nur umfangreiche Daten über den Brief selbst vollautomatisch herauslesen, sondern auch über eine Seriennummer den Absender identifizieren. „Wenn dieses System tatsächlich realisiert wird, dann ist Schluss mit der anonymen Versendung von Post“, fürchtet Peter Schaar, Stellvertreter des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten. Es sei, so Schaar, nicht auszuschließen, dass Kommunikationsprofile von Nutzern erstellt würden. Diese Sorge teilt auch Klaus Brunnstein, Informatikprofessor von der Uni Hamburg: „Die Post könnte die erhobenen Daten zu Mehrwert machen“, so Brunnstein. Eine Prognose, die so abwegig nicht ist: Schon mehrmals ist der gelbe Riese wegen Verdachts auf Adressenhandel kritisiert worden.

Zusätzliche Brisanz kommt durch ein Detail, das der Öffentlichkeit bisher unbekannt war: Die Lesegeräte für den Code des Absenders will die Post nach eigenen Angaben in alle 250 Verteilzentren einbauen – ausgerechnet in jene Maschinen, die schon heute vollelektronisch die Adresse des Empfängers lesen. Die Post wiegelt ab. „Niemand hat die Absicht irgendwelche Daten zu speichern“, sagt Projektleiter Bernd Meyer; das Vorhaben sei rechtlich einwandfrei. Für den Fall einer Veröffentlichung drohte sie allerdings schon einmal mit juristischen Schritten.

Dabei könnte die Post mit ihrer Einschätzung sogar teilweise richtig liegen. Denn die Postdatenschutzverordnung von 1996 gestattet die Speicherung so genannter Verkehrsdaten. Mit lapidarem Hinweis auf die Verordnung ist auch der Bundesdatenschutzbeauftragte, Dr. Joachim Jacob, nach anfänglichen Bedenken wieder auf Tauchstation gegangen. So ist für die Post eine Verschnaufpause eingetreten, die indes schon bald vorbei sein könnte: Denn Europaparlamentarier Christian von Boetticher (CDU), Mitglied des Innenausschusses, will das Projekt durch die EU-Kommission kippen lassen (siehe Interview). Sollte von Boetticher erfolgreich sein, könnte der EU-Gerichtshof die Bundesrepublik zwingen, das Projekt einzustampfen.

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