: Zu viele Pillen verschrieben
Ärzte haben das Arzneimittelbudget um 200 Millionen Mark überzogen. Jetzt sollen sie 78 Millionen Mark zurückzahlen. Barmer-Chef gegen kollektive Regresspflicht
Die niedergelassenen Ärzte haben im letzten Jahr Arzneimittel im Wert von 198 Millionen Mark zu viel verschrieben. Die Mediziner stellten Rezepte im Wert von 1,7 Milliarden Mark aus. Das Arzneibudget sieht dafür aber nur 1,5 Milliarden Mark vor. Das teilte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung, Manfred Richter-Reichhelm, gestern mit. Er bezog sich dabei auf Angaben der Berliner Krankenkassen.
Die Kassen fordern nun von den Medizinern 78 Millionen Mark zurück, also 5 Prozent des Arzneimittelbudgets. Für den einzelnen niedergelassenen Arzt würde das bedeuten, dass er im kommenden Jahr 13.000 Mark weniger Honorar bekäme.
Werde dieser „Kollektivregress“ vollzogen, drohte Richter-Reichhelm an, dann „gehen in der Hauptstadt einige Lichter aus“. Er kündigte an, dass die Kassenärztliche Vereinigung mit allen Rechtsmitteln dagegen vorgehen werde.
Ein Grund für die Überschreitung des Budget sei unter anderem, dass 20 Prozent aller Aidspatienten in Berlin behandelt würden. Auch ungünstige soziale Strukturen in „Problembezirken“ führten zu einem erhöhten Krankenstand.
Als erster führender Krankenkassenvertreter stellte sich Barmer-Chef Eckart Fiedler gestern auf die Seite der Ärzte. Er forderte, die Kollektivhaftung der Mediziner für die Budgets zu beenden. „Wir müssen Kollektivregresse abschaffen“, sagte Fiedler. Nach einer Barmer-Studie könnten Ärzte 15 Prozent der Ausgaben für Arzneimittel einsparen und damit die Budgets einhalten, ohne dass die medizinische Qualität leide.
Damit gebe es genug Spielraum, so der Chef der Barmer Ersatzkasse weiter, um auch teure, innovative Mittel zu bezahlen. Allerdings müssten die Reserven gezielt erschlossen werden. Von den Kollektivregressen dagegen wären auch jene Ärzte betroffen, die sparsam und sinnvoll verordneten. Dies führe zu einer „undifferenzierten Rationierung“.
JULIA NAUMANN
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