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Kinderkriegen bleibt immer noch eine teure Angelegenheit

Frauenverbände protestieren gegen Rentenreform: Sie sichere den Frauen kaum eigene Rentenansprüche. Frauen müssen für „private Vorsorge“ höhere Beiträge zahlen

BERLIN taz ■ Einen Moment lang stellte sich eine gewisse Nachdenklichkeit ein bei der großen Rentenanhörung im Sozialausschuss des Bundestages. Als am späten Montagnachmittag die Frauenverbände zu Arbeitsminister Riesters Entwurf zur Rentenreform Stellung nahmen, da erwähnte die Expertin des Familienverbands mal kurz die Grundlagen der Rentenreform: Warum eigentlich das Ganze? Weil, könnte man herunterbeten, die Deutschen immer weniger werden, weil sie ein Demografieproblem haben.

Warum aber das Land ein Demografieproblem hat, wird weitgehend verdrängt: Kinder zu bekommen ist hierzulande ein finanzielles Risiko. Die Durchschnittsrente der Erziehenden, der Frauen, liegt im Moment bei knapp 900 Mark. Kein Wunder, dass Frauen sich zunehmend weigern, dieses Risiko zu tragen. Deshalb gibt es weniger Kinder, deshalb brauchen wir eine Rentenreform. Wäre es da nicht selbstverständlich, dass man sich mit einer solchen Reform bemüht, das Kinderkriegen zumindest in Hinblick auf die Alterssicherung lukrativer zu machen?

Ja, die Regierung hat sich bemüht, so der Tenor der Expertinnen von Frauenrat bis zum Juristinnenbund. Aber viel herausgekommen sei dabei nicht. Was Frauen bekommen haben, ist ein ungenügender Ausgleich für eine zweifach sinkende Rente. Das Gesamtrentenniveau sinkt, auch die Hinterbliebenenrente wird gekürzt. Von den 64 Prozent, die ein Rentner im besten Fall im Jahr 2030 erhält, bekommt seine Witwe nicht mehr 60 Prozent wie bisher, sondern nur noch 55 Prozent. Im Gegenzug wird ihr zwar für jedes Kind ein zusätzliches Beitragsjahr gutgeschrieben. Doch die Sache hat einen Haken: Diese Gutschriften gleichen den Rentenverlust in vielen Fällen nicht aus.

Frauenvertreterinnen fordern seit Jahrzehnten, dass Frauen eigene Rentenansprüche aufbauen können sollten, die nicht mehr vom Mann „abgeleitet“ werden. Darin müsste ein gehöriger Anteil für Kindererziehung und Pflege berücksichtig sein, aber auch ein Anteil der Rentenansprüche ihrer Männer, deren Berufstätigkeit im Gegensatz zur Erziehungsarbeit der Frauen zu einer Vollrente führt.

Was aber von den geforderten „eigenen Anwartschaften“ jetzt übrig blieb, ist die höchst unübersichtliche Alternative zwischen Hinterbliebenenrente einerseits und „Splitting“ andererseits. Beim Splitting werden beide Anwartschaften in einen Topf geworfen, und jeder Partner bekommt die Hälfte. Das lohnt sich aber nur in zwei Fällen: wenn die Ehe sehr lang dauert oder wenn der hinterbliebene Partner nicht in der gesetzlichen Versicherung, sondern etwa Beamter war und seine Pensionsansprüche somit zusätzlich behält. Beamtensubventionierung war aber nicht das Ziel der Rentenreform.

Rot sehen alle Verbände bei der geplanten privaten Vorsorge: Private Lebensversicherungen sind teurer für Frauen und kennen keine Solidarität mit Erziehenden und Geringverdienenden. Frauen, insbesondere Alleinerziehende, können trotz aller Förderung oft nicht so viel einzahlen, dass eine adäquate Rente herauskommt. Zudem müssten sie für die gleiche Leistung um einiges mehr einzahlen als Männer.

Für eine private Rente von 1.500 Mark zahlen etwa Männer 185 Mark ein, Frauen aber 223 Mark, errechnete der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Warum? Frauen werden im Schnitt vier Jahre älter als Männer, das erhöht die Kosten.

An Schweden hätte sich Minister Riester ein Beispiel nehmen können: Dort fördert der Staat nur die Versicherungen, die Einheitstarife für Männer und Frauen (Unisex) anbieten.

Die Regierung fühlt sich dennoch zu Unrecht angegriffen: Mehr sei einfach nicht drin, verkündet das Arbeitsministerium schon seit langem, „Nikolaus ist vorbei!“, rief die SPD-Abgeordnete Andrea Nahles den Frauen in der Anhörung zu. „Weihnachten kommt aber noch!“, hätten die zurückrufen können. Da aber die Geschenke ausbleiben, wird der schleichende Gebärstreik wohl weitergehen. HEIDE OESTREICH

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