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Alle lieben Geitas Gold

Wer in der Mine arbeitet, findet sie klasse. Und wer nicht dort angestellt ist, beschwert sich, dass er es noch nicht ist

aus Geita PETER BÖHM

Von Harry Michaels Büro scheint Afrika weit entfernt. Jalousien halten die Sonne draußen, die Klimaanlage hat die Luft auf Schlafzimmertemperatur heruntergekühlt. An der Wand hängen Szenen aus der Welt des Minendirektors: „Mut“, „Durchhaltevermögen“, „Teamarbeit“ steht da über Fotos von Segelyachten auf hoher See oder Expeditionen ins ewige Eis.

Schon am Werkstor verblüfft die geordnete Welt der Goldmine von Geita. Nach einer fünfstündigen Fahrt über einen zweispurigen Feldweg von der nächstgrößeren Stadt in Tansania, Mwanza am Victoriasee, gibt es hier plötzlich richtige Straßen, Hinweis- und Verbotsschilder und Angestellte in einheitlicher Schutzkleidung. Harry Michael lässt auch keinen Zweifel daran, dass hier nach den weltweit modernsten Standards gearbeitet wird. Die Goldvorräte von Geita, nur 25 Kilometer südlich des Sees gelegen, stellen weltweit den größten Fund der letzten drei, vier Jahre dar, sagt der Mittvierziger. Mit ihren geschätzten 45 Tonnen jährlicher Produktion gehöre die Mine von Geita nach Südafrika zu den Top zwei oder drei, und seine Arbeitgeber hätten hier 400 Millionen US-Dollar investiert. Diese Summe liegt nur wenig unter der des Staatshaushalts von Tansania.

Gefördert wird seit Juni dieses Jahres. Schon Anfang der Neunzigerjahre begannen in Geita zwei Firmen mit der Kartierung der Goldvorräte. 1995 interessierte sich die ghanaische Bergbaufirma Ashanti für das Gelände im Nordwesten Tansanias und kaufte den zwei Firmen 1998 ihre Förderlizenz ab. Da erst habe es die notwendige „politische Stabilität“ gegeben, wie Direktor Michael sagt. Die tansanische Regierung gab zu Beginn der Neunzigerjahre ihren Widerwillen auf, multinationalen Konzernen Förderrechte zuzugestehen, und Ashanti, das durch drei Goldminen in Ghana groß geworden ist, griff zu. Innerhalb weniger Jahre fanden ihre Geologen ein Vielfaches der ursprünglich als rentabel erachteten Reserve. Im Oktober 1999 hatte Ashanti Liquiditätsprobleme und beschloss, sich nach einem Partner für Geita umzusehen. Es fand sich die südafrikanische Anglogold, der weltweit größte Goldproduzent.

200 Meter hinter Michaels flachem Bürogebäude wachsen riesige, durch Förderbänder und Rohrgeflechte verbundene Tanks in den Himmel. Wenn man nicht wüsste, dass man sich auf dem Gelände einer Goldmine befindet, könnte man das für eine chemische Fabrik halten. Von der Vorstellung schweißgebadeter, in Stollen unter Tage Gestein schlagender Arbeiter muss man sich in Geita verabschieden. Die Mine ist eine riesige Wasch- und Siebmaschine.

Ganze Hügel und das Gestein tiefer Gruben verschwinden, um an die 3,4 Gramm Edelmetall zu gelangen, die eine Tonne der Gold führenden Schicht hier durchschnittlich enthält. Dass die Hightech-Anlage wie von einem anderen Stern in den tansanischen Busch transplantiert erscheint, wird erst richtig deutlich im Vergleich mit den traditionellen Goldgräbern der Region: Von der modernen Mine nur durch den Geita-Hügel getrennt, arbeiten diese in einem Vorort der Stadt. Sie graben in einem alten Stollen, der zur Zeit der britischen Kolonialzeit entstand, und das mit Werkzeugen von vorgestern. Diese Unterschiede will Misataba Busumba gar nicht bestreiten. Dennoch verbirgt sich auch hinter diesem Mann mit dem schmutzigen Gesicht und den zerschlissenen Kleidern eine afrikanische Erfolgsgeschichte. Seine Eltern starben, als er acht Jahre alt war. Damals kam er aus einem Dorf in der Nähe Mwanzas hierher. Heute kann der 38-Jährige seine Kinder in die Schule schicken und verdient umgerechnet 700 Mark im Monat – viel mehr als viele Beamte in Tansanias Hauptstadt.

Von einer Grotte aus, die in der Decke ein Loch zur Belüftung hat, haben Busumba und die anderen Goldsucher schlanke Röhren in das Gestein getrieben. Entlang der Felswände sind an manchen Stellen Gerüste, eigentlich schiefe Äste, durch Nägel und Schnüre mit der Felswand verbunden. „Natürlich ist das gefährlich“, sagt Busumba und zeigt auf einen Geröllhaufen am Boden der Grotte. „Das ist erst vor ein paar Tagen von der Decke runtergekommen. Wenn da einer gestanden hätte ...“

Bis zu einer halben Stunde lang steigen die Goldgräber mit einer mit Petroleum und einem Docht ausgerüsteten Büchse in die teilweise mehr als 100 Meter tiefen Röhren hinab und suchen mit Hammer und Meißel nach einer Erz führenden Schicht. Oben zerkleinern sie die Gesteinsproben und waschen das Gold heraus. Wenn in der Pfanne eine glänzende Spur zurückbleibt, wissen die Gräber, dass sie auf Gold gestoßen sind. Dann tragen sie das Gestein ab und bringen es zur Zerkleinerungsanlage. Dort zerstoßen Angestellte mit einer Kardanstange in einem Getreidemörser das Gestein. Aus dem gewaschenen Material wird das Gold dann mit Hilfe von Quecksilber herausgelöst.

Afrikanische Empfindlichkeiten

„Das ist eine Methode wie von vor 200 Jahren“, findet Harry Michael. Und wer sieht, wie es in seiner Mine zugeht, muss ihm beipflichten. Nachdem das Gelände mit einem dichten Raster von Probebohrungen überzogen wurde, lässt sich per Computer eine dreidimensionale Karte der Vorkommen erstellen. Nach der Sprengung transportieren Laster mit überdimensionalen Rädern das goldhaltige Gestein zur Halde der chemischen Anlage. An der derzeit einzigen Grabungsstelle entsteht so eine Grube von 1,2 Kilometer Länge, 750 Meter Breite und 350 Meter Tiefe. Die Firma hat sich verpflichtet, nach Abschluss der Arbeiten 85 Prozent der Umweltbeeinträchtigungen zu korrigieren.

Den Geita-Hügel, in dem jetzt noch Busumba und seine Kollegen graben, wird die Firma irgendwann in 12-jähriger Laufzeit abtragen. Und obwohl die Schürfer illegal graben, hat das Konsortium sie noch nicht vertreiben lassen, ebenso wenig wie das winzige Dorf mit ein paar Hütten, Feldern und Kühen, das unmittelbar neben der Grube liegt.

„Das stört uns bis jetzt nicht“, sagt Michael und ist damit wieder bei einem seiner Lieblingsthemen: „Firmen, die in Afrika arbeiten, müssen auf gewisse Empfindlichkeiten Rücksicht nehmen.“ Dazu gehört auch, dass das Konsortium ein Stück öffentliche Straße sowie eine Grundschule gebaut hat und nun auch einen Operationssaal für das Krankenhaus errichten wird. Entlang der Wasserleitung vom Victoriasee dürfen die Bauern an elf Stellen so viel Wasser entnehmen, wie sie wollen. Und das Krankenhaus profitiert vom firmeneigenen Kraftwerk, das die Mine von der lokalen Infrastruktur völlig unabhängig macht.

Entschädigungen sind versickert

Doch Geita wäre nicht Afrika, wenn es nicht auch Streit um die Mine gäbe. Dort, wo Michaels Bürogebäude aufgebaut wurde, musste zuvor das Dorf Mtakuja weichen. Aus dem Kisuaheli übersetzt heißt „Mtakuja“ sinnigerweise „Ihr werdet kommen“. Und als die Investoren kamen, mussten die Goldgräberfamilien gegen eine Entschädigung den Platz räumen. Fragt man nun eine der rund 400 Familien aus Mtakuja, hat kaum jemand eine Entschädigung bekommen, oder wenn doch, dann viel weniger als versprochen. Einer der ehemaligen Bewohner klagt zurzeit vor dem Distriktgericht gegen den Exdorfchef, der ihn nicht bezahlt haben soll.

Es ist eine afrikanische Geschichte: Alle haben zu wenig bekommen, aber keiner kann so recht sagen, wo das Geld geblieben ist. Harry Michael versichert, dass sein Konsortium über die vom Distrikt festgelegte Entschädigungssumme hinaus an jeden Dorfhaushalt 140 Prozent zusätzlich bezahlt habe. Dass der Distrikt nun 850 Personen gefunden haben will, die übersehen worden seien, bringt Michael zum Schmunzeln. „Wie soll denn das gehen? Sieben Offizielle des Distrikts sind damals alle Häuser abgelaufen, haben gemeinsam die individuelle Entschädigungssumme festgelegt und dafür unterschrieben!“

Auch die Kritik, die in Geita öfter zu hören ist – dass die Region nur wenig von der Mine profitiere –, weist Michael zurück. Er rechnet vor, dass von 500 Angestellten 440 Tansanier sind und dass an jedem Arbeitsplatz noch drei weitere für Zulieferung, Bauarbeiten und Ähnliches hängen. Die tansanische Regierung bekommt von jedem geförderten Gramm Gold 3 Prozent des Verkaufspreises und wird, so hat Michael errechnen lassen, mindestens 145 Millionen US-Dollar direkte Einkünfte durch Steuern und Kommissionen verdienen.

Kein Zweifel: Geita boomt

Die Stadt Geita ist in ihrer Einstellung zur Mine geteilt. Diejenigen, die dort angestellt sind, finden sie klasse. Diejenigen, die nicht angestellt sind, beschweren sich, dass sie es noch nicht sind. „Zum ersten Mal gibt es hier Arbeitsplätze, und die jungen Leute müssen nach der Schule nicht mehr die Stadt verlassen“, sagt John Mihangua, der nach dem Abitur wieder hierher zurückgekehrt ist. Viele andere Menschen aus ganz Tansania sind seinem Beispiel gefolgt. Seit 1998 hat sich Geitas Einwohnerzahl auf 50.000 oder 60.000, so genau weiß das keiner, mehr als verdoppelt.

Kein Zweifel, Geita boomt. Wenn die Sonne untergegangen ist, ist die Stadt zwar stockfinster, aber die Elektrizitätsleitung ist von Mwanza aus inzwischen auf halbem Wege nach Geita. Und an den Rändern der Stadt wachsen so viele Neubauten aus der Erde, als hätte sie jemand gesät. Dass das Konsortium den Geita-Hügel irgendwann ganz abtragen wird und er damit weichen muss, weiß Goldgräber Busumba nicht, oder er will es nicht wissen. Er hat auch andere Sorgen. Mit der Polizei. Sie kommt oft am Monatsende, wenn das Gehalt verbraucht ist, und kassiert ein Zubrot. Dafür ist dann offiziell kein Unbefugter mehr auf dem Gelände der Mine.

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