: Ein recht symbolisches Urteil
Egal, wo der Server steht und wer ihn bestückt: Volksverhetzung im Internet ist strafbar, sagt der Bundesgerichtshof und erklärt „potenzielle Gefährdung“ zum Delikt
KARLSRUHE taz ■ Die Leugnung des Holocaust im Internet kann künftig auch für Ausländer, die im Ausland handeln, Folgen nach dem deutschen Strafrecht haben. Dies entschied gestern der Bundesgerichtshof im Fall des Australiers Fredrick Toben. Der 57-jährige Direktor des revisionistischen Adelaide-Instituts hatte mehrere englischsprachige Hasspamphlete auf einem australischen Server veröffentlicht.
Beim Landgericht Mannheim war Toben im November vorigen Jahres wegen dieser Vorgänge jedoch nicht verurteilt worden, da deutsches Strafrecht hier nicht anwendbar sei. Weder habe Toben in Deutschland gehandelt, noch sei der Erfolg hier eingetreten, so die Mannheimer Richter. Vielmehr sei die Volksverhetzung ein „abstraktes Gefährdungsdelikt“, bei dem es auf einen Erfolg gar nicht ankomme und es deshalb auch keinen „Erfolgsort“ gebe. Die Staatsanwaltschaft sah hierin jedoch eine „unerträgliche Strafbarkeitslücke“ und ging in Revision. Tobens Verteidiger warnten allerdings davor, die Strafbarkeit im Internet allzu weit auszudehnen. „Wenn alle das weltweite Netz an ihrem heimischen Strafrecht messen, dann kann ich bald nicht mehr verreisen, wenn ich etwas Heikles auf meiner Homepage stehen habe“, gab Anwalt Michael Rosenthal zu bedenken.
Der BGH folgte nun aber doch der Staatsanwaltschaft. In einer Entscheidung, die in die juristischen Lehrbücher eingehen wird, erfanden die obersten Strafrichter das „potenzielle Gefährdungsdelikt“ als neue Kategorie. Dabei trete der „Erfolg“, nämlich die potenzielle Gefährdung des öffentlichen Friedens, durchaus in Deutschland ein. Diese neue Rechtsprechung gilt vorerst nur für Volksverhetzungsdelikte. Sie könnte aber auch auf das Verwenden von NS-Symbolen im Internet ausgedehnt werden.
Der Prozess gegen Toben müsste nun vor dem Landgericht Mannheim neu aufgerollt werden. Allerdings ist Toben schon lange wieder in Australien und wird Deutschland künftig wohl meiden. 1999 war er auf einer Lesereise festgenommen worden und wegen anderer politischer Delikte sieben Monate inhaftiert. Eine Auslieferung kommt auch nicht in Frage, weil die Leugnung des Holocaust in Australien nicht strafbar ist.
So gesehen hat die gestrige Entscheidung eher symbolischen Wert. Und mit der praktisch viel wichtigeren Verantwortlichkeit von Providern beschäftigt sie sich ausdrücklich nicht, stellte der Vorsitzende Richter Gerhard Schäfer abschließend klar. CHRISTIAN RATH
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