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Richter sagen Bundesanwalt, wann er ermitteln darf

BGH prüft, wann Bundesanwalt Verfahren gegen rechte Straftäter an sich ziehen kann – und damit in Kompetenzen der Staatsanwälte eingreifen darf

KARLSRUHE taz ■ Kann Generalbundesanwalt Kay Nehm alle Ermittlungen, die er für wichtig hält, an sich ziehen? Diese Frage prüft derzeit der Bundesgerichtshof, der noch vor Weihnachten seine Entscheidung verkünden will. Anlass ist die Revision von drei jungen Rechtsradikalen aus Mecklenburg-Vorpommern, die im Sommer 1999 gemeinsam mit Gesinnungsgenossen zwei Vietnamesen in Eggesin zusammengetreten und lebensgefährlich verletzt hatten. Das Oberlandesgericht Rostock hatte sie wegen Mordversuchs zu Jugendstrafen zwischen vier und sechs Jahren verurteilt.

Im Mittelpunkt der gestrigen Revisionsverhandlung stand allerdings die Frage nach den Kompetenzen der Bundesanwaltschaft. Nehm hatte im Fall Eggesin die Ermittlungen übernommen, um damit im In- und Ausland Zeichen zu setzen. Damit wollte er zeigen, dass die Justiz die Bekämpfung rechter Gewalt ernst nimmt. In Karlsruher Richterkreisen besteht allerdings gewisse Skepsis, ob Nehm dabei nicht zu stark in die Zuständigkeit der normalen Staatsanwaltschaften eingreift.

Für Verwunderung sorgte vor allem, dass die Bundesanwaltschaft auch nach dem gescheiterten Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge die Ermittlungen übernahm. Hier war es nur zu geringen Sachschäden gekommen. Da die Erfurter Täter den Fall jedoch nicht zum BGH trugen, kann dieser das Problem nun nur am Beispiel Eggesin diskutieren.

Laut Gesetz ist der Generalbundesanwalt für Taten mit „besonderer Bedeutung“ zuständig, wenn diese dazu „bestimmt und geeignet“ waren, die „innere Sicherheit“ in Deutschland zu beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung sah Nehm auch in den sich häufenden rechten Angriffen, weil diese „ein Klima der Angst und Einschüchterung“ geschaffen hätten.

Rechtlich umstritten ist aber, wann ein Fall von „besonderer Bedeutung“ vorliegt. Bundesanwalt Wolfgang Siegmund betonte gestern, seine Behörde müsse sich „Pilotverfahren“ aussuchen können, wenn es notwendig sei, „Flagge zu zeigen“. Die Auswahl eines Verfahrens richte sich dabei auch nach den „Auswirkungen eines Falles für das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland“. Verteidiger Michael Zimmermann hielt dem entgegen: „Die Zuständigkeit von Staatsanwaltschaft und Gericht kann sich nicht danach richten, wie die Presse über einen Fall berichtet.“ In Karlsruhe wird nicht daran gezweifelt, dass der BGH die Zuständigkeit der Bundesanwälte im Fall Eggesin bestätigt. Immerhin wäre einer der beiden Vietnamesen nach dem Angriff fast gestorben. Und bei einer Zwischenentscheidung hatte der BGH schon vor einem Jahr erklärt, hier sei die Annahme einer besonderen Bedeutung „noch vertretbar“. Die BGH-Richter werden ihre Entscheidung nun wohl vor allem nutzen, um generelle Kriterien für Kay Nehm aufzustellen. Das Urteil wird am 22. Dezember verkündet.

CHRISTIAN RATH

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