: Vom Pferd erzählt
Wenn der Rosstäuscher zuschlägt, hilft Anwalt Wolfgang Walter Horn. Der passionierte Reiter ist Spezialist für Pferdesportrecht ■ Von Elke Spanner
Rudi und Chipie sind „pferdetaugliche“ Hunde, sie mögen Pferde, und Pferde mögen sie. Bürotauglich sind sie ebenfalls, und deshalb begleiten zumindest sie ihr Herrchen täglich zur Arbeit. Dem geschäftlich-unterkühlten Ambiente der Kanzlei „Weiland und Partner“ verleiht es unerwartete Frische, wenn Rechtsanwalt Wolfgang Walter Horn mit dem Ruf „Rudi, Rudi“ einem ausgebüchsten Jack-Russell-Terrier den langen Flur hinterher rennt.
In seiner Notlage, mindestens acht Stunden täglich ohne Pferde verbringen zu müssen, hat Horn sich zu helfen gewusst. Zahlreiche Fotos seiner Tiere schmücken die Bürowände, mal ohne, mal mit Reiter – Horn hoch zu Ross beim Springreiten, Horn bei der Siegerehrung. Und selbst die Akten auf dem Schreibtisch behandeln hauptsächlich ein Thema: Der Anwalt ist Spezialist für Pferdesportrecht.
Die Nachfrage ist selbst im urbanen Hamburg enorm. Denn hier gibt es nicht nur Trabrennbahn und Derby in Klein Flottbek. Reiten ist ein beliebter Freizeitsport, und „die Rosstäuscher“, sagt Horn, „sind unter uns“. Das sind Menschen, die etwa eine lahmende Stute als Turnierpferd verkaufen oder ein Pony als kerngesund, das in der strohbelegten Box allergisch zu keuchen beginnt. Die Opfer dieser „Rosstäuscher“ sind die MandantInnen von Rechtsanwalt Horn.
Überwiegend beschäftigt er sich mit Mauscheleien beim Verkauf von Pferden und der Ausarbeitung von Verträgen, die dies möglichst verhindern sollen. Daneben geht der Rechtsanwalt vor allem gegen TierärztInnen vor, die Pferde falsch behandelt und den BesitzerInnen dadurch Sorgen und Kosten bereitet haben.
„Je teurer das Pferd, umso früher werden Juristen in den Kauf eingebunden“, sagt Horn. Im Turniersport sind Pferde Sportgerät, und die Summen, um die es beim Ankauf geht, reichen bis in den siebenstelligen Bereich. Schon bei erstem Interesse schalten potentielle KäuferInnen in der Regel TierärztInnen und RechtsanwältInnen ein. Denn die spätere Rückabwicklung eines Kaufes ist komplizierter, als wenn etwa in der Eigentumswohnug plötzlich feuchte Flecken auftauchen. Da kann man im nachhinein den Kaufpreis mindern. Bei Pferden geht das nicht. Das Pferd kann allenfalls zurückgegeben werden – was laut der „kaiserlichen Viehmängelverordnung“ bei häufigen Krankheiten wie Mondblindheit, Lahmheit oder Dummkoller bis zu zwei Wochen nach dem Kauf möglich ist.
Die meisten MandantInnen von Horn jedoch sind FreizeitreiterInnen, die mit dem Tier nicht Geld verdienen, sondern am Wochenende im Wald ausreiten wollen. Die gehen in der Regel erst dann zum Rechtsanwalt, „wenn etwas passiert“. Klassischer Fall ist, dass ein Tierarzt eine falsche Diagnose gestellt und entsprechend falsch behandelt hat. Wenn er beispielsweise über Monate wegen Beinlahmheit behandelt – und dann rauskommt, dass der Sattel des Pferdes zu eng war und die Verspannung der Rückenmuskeln mit einer einzigen Spritze zu beheben gewesen wäre. Vor einer Woche war eine Frau in Horns Kanzlei, die vom Besitzer des Stalles, in dem ihre Stute stand, Tierarztkosten erstattet haben wollte. Der nämlich hatte behauptet, den Schmied bestellt zu haben, und das Geld dafür auch schon kassiert. Statt die Hufe des Pferdes aber vom Fachmann ausschneiden zu lassen, griff der Stallbesitzer selbst zum Messer. Er verletzte das Pferd, das schlug wild um sich, stürzte und schlug sich dabei einen Zahn aus. Für den Ärger, den der Stallinhaber ihr bereitet hatte, wollte die Pferdebesitzerin nicht auch noch zahlen müssen.
Die Sorgen der ReiterInnen kann Horn nur allzugut nachempfinden. Er hat schon im Sattel gesessen, kaum dass er sich auf seinen eigenen Beinen halten konnte. Jahrelang ist er Turniere geritten, als Springreiter bis zur höchsten S-Klasse, und auch heute noch nimmt er in einem Senioren-Amateur-Reiterclub Hürden bis zur Turnierklasse L. Er selbst besitzt mehrere Pferde, vier für den Sport, weitere vier für die Zucht. „Rauhfutterverzehrende Großvieheinheit“ nennt er seine Tiere liebevoll, seit diese Bezeichnung in den Kaufpapieren für eine seiner Stuten aufgetaucht war.
Über sein Hobby kam er auch zu seinem Beruf – denn eigentlich ist Horn Fachanwalt für Arbeitsrecht. Doch andere Reiter fragten den sattelfesten Rechtsanwalt so oft um juristischen Rat, bis sich auf dessen Schreibtisch irgendwann mehr Akten zur Tierarzthaftung als Kündigungsschutzklagen von Angestellten sammelten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen