Schaden ohne Hirn

Fernsehmuseum tagt zu Drogen und Psychosen  ■ Von Marit Hofmann

Woher hatten unsere Großeltern eigentlich ihre verqueren Ansichten vom Haschischkonsum? Sie saßen zu viel vor der Glotze. Das Fernsehen hat einen nicht geringen Teil dazu beigetragen, dass falsche Informationen über Drogen kursierten. In einer Folge des Kommissars von 1972 beispielsweise fahndet Fritz Wepper in einer finsteren Hippiekneipe namens Nirwana nach einem Haschischdealer – und was findet er? Apathische Junkies mit Spritzen und zerstochenen Venen, darunter auch ein 13jähriges Mädchen mit Schulranzen. Da immer nur von Haschisch die Rede ist und niemals von Heroin, hatten harmlose Gelegenheitskiffer bei ihrer Aufklärungsarbeit einen schweren Stand: Wer kommt schon gegen die TV-Instanz Der Kommissar an?

Solche verfälschenden Darstellungen hält die Gruppe RE-Products, die in einer Sondersitzung des Fernsehmuseums dem Thema Drogen und TV nachgeht, für symptomatisch. Im Vergleich zu US-Serien wie Mannix, aus der heute abend im Metropolis ebenfalls eine Episode zu sehen ist, geht Der Kommissar sogar noch behutsam vor. Denn immerhin unterscheidet er zwischen den Drogenkonsumenten, die der gütige Kommissar Keller (Erik Ode) als verirrte Schäfchen unter seine Fittiche nimmt, und den wahren Bösewichtern: den Großdealern, die auf Kosten haschspritzender Schulmädchen in ihren mit Pool und Sauna ausgestatteten Villen Orgien feiern.

Obwohl man, wie Stefan Eckel von RE-Products betont, dem Drehbuchautor Herbert Reinecker anmerkt, dass er niemals Drogen genommen hat, wirken auf den Zuschauer von heute andersherum gerade die übertrieben hysterischen Reaktionen der Saubermänner in seiner Geschichte ganz schön durchgeknallt.

Die Fallbeispiele aus dem Fernseharchiv sorgen indes nicht nur für trashige Unterhaltung, sondern bieten auch die Möglichkeit, die mediale Darstellung eigener Erfahrungswelten zu analysieren. Schließlich ist – bei allem Verständis für die Lust am illegalen Drogenkonsum aus Protest gegen die alkohol- und tablettenschluckende Elterngeneration – der Gebrauchswert der Rauschmittel, wie Günter Amendt zu bedenken gibt, von jeher zwiespältig zu beurteilen: „Als Genussmittel halfen sie den unterdrückten und ausgebeuteten Menschen, ihr Los zu ertragen; als Leis-tungsdrogen sicherten sie die gesellschaftlichen Bedingungen der Ausbeutung.“

Die Tagesordnung des Fernsehmuseums folgt der Skala des Bundesgesundheitsamtes: Von den leichten Einstiegsdrogen geht sie zu den Psychodelica über, und am Ende stehen Koks- und Heroin-Delirien. Und Strom nicht zu vergessen. In einer Futurama-Folge wird der depressive Roboter Bender stromabhängig und stürzt in eine Identitätskrise. Von einer Verharmlosung des Drogenproblems kann auch bei Ede Zimmermann keine Rede sein, der sich bei einem Aufklärungsversuch in Aktenzeichen XY von 1970 fortschrittlich gibt – während Quincy aus der gleichnamigen Serie bereits naserümpfend einen Club verläßt, wenn der Song „White Christmas“ gespielt wird...

Immerhin wird das Metropolis-Publikum auch in den Genuss erfreulicher Gegenbeispiele kommen. „Ich hoffe, mein Schaden hat kein Gehirn genommen“, kommentiert Homer Simpson (in einer Episode von 1997) seinen LSDartigen Trip, der eigentlich nur von einem besonders scharfen Chilitestessen herrührt. Homer hat Glück: Sein klaustrophobisches Horror-abenteuer bringt ihn dazu, in der Realität sein Glück zu suchen. Ein würziges Chili oder ein längerer Aufenthalt im Nirwana hätten bestimmt weder Fritz Wepper noch Herbert Reinecker geschadet. Und uns und unseren (Groß-)Eltern wäre vieles erspart geblieben.

heute, 16.12., 21.15 Uhr, Metropolis