: Alte Menschen misshandelt?
Durchsuchung im Seniorenzentrum: Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung ■ Von Sandra Wilsdorf
„Die sind ja nett heute“, wundert sich eine ältere Dame. Sie will ihre Freundin abholen, die im Seniorenzentrum Rahlstedter Höhe wohnt, und wundert sich, dass sie mit ihrem Wagen sogar auf die Auffahrt fahren darf. „Die haben gesagt, sie bringen meine Freundin runter. Und der Hausmeister wollte den Wagen sogar in die Tiefgarage fahren.“ Alles anders als sonst.
Das lag wohl daran, dass gestern seit dem frühen Morgen nichts normal war in dem privaten Seniorenheim, in dem 230 Menschen leben: Knapp 30 Staatsanwälte, Ärzte und Polizisten hatten das Heim den ganzen Vormittag lang durchsucht und anschließend Koffer und Kisten voller Akten weggetragen.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 12 Mitarbeiter aus dem Bereich Geschäftsführung, Pflegedienstleitung und Pflegepersonal wegen fahrlässiger Körperverletzung, Misshandlung von Schutzbefohlenen und fahrlässiger Tötung in drei Fällen. Ein ehemaliger Angestellter hatte sich mit Fotos und Schriftstücken an die Redaktion von Focus online gewandt, die leitete die Unterlagen an die Staatsanwaltschaft weiter. Den Aussagen des Krankenpflegers zufolge hätten Mitarbeiter monatelang alte Menschen misshandelt und unzureichend gepflegt. Er glaube, dass mindestens drei Menschen noch leben könnten, hätte man in Notfällen richtig reagiert. „Wir haben das Verfahren aufgrund der uns eingesandten Unterlagen eingeleitet“, sagt Rüdiger Bagger, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Nun würden sie geprüft.
Dem medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), bei dem Beschwerden über schlechte Pflege häufig landen, sind in dem Heim „noch nicht so gravierende Mängel aufgefallen, dass wir Alarm geschlagen hätten. Aber es ist auch nicht mängelfrei“, sagt Jörg Sträter, Geschäftsführer des MDK.
Die Heimleitung machte von ihrem Hausrecht Gebrauch und reagierte auf Nachfragen hysterisch. Am Nachmittag folgten dann acht Zeilen Presseerklärung: Der Träger der Einrichtung ist über die Vorwürfe sehr überrascht und will keine weitere Erklärung abgeben, so- lange die „interne Aufklärungsarbeit“ nicht abgeschlossen ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen