kunsthochschule, raumnot etc.
: Studenten lernen Management – im Wohnwagen

Termingeschäftkunst

„Die Luft brennt“ titelte die Kunstzeitung in ihrer November-Ausgabe – und meinte damit den Äther über der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und den notorischen Platzmangel dort, der Studenten und Professoren nicht selten zu Vorlesungen und Prüfungen auf die Flure zwingt.

Seit gut zwei Wochen steht nun auf dem Hochschulgelände ein supermoderner Camper: der Traum eines jeden Caravanisten, mit allen Schikanen. Vor der Schule in Weißensee provoziert das Gefährt einige Fragen. Immerhin geht es um nichts Geringeres als eine Neubewertung der Kunst, die hier ansteht. „Zeit für andere Maßstäbe“, schwirrt es durch die Luft. Offenbar zieht eine kleine Revolution herauf, und an ihrem Ausgangspunkt steht ausgerechnet ein Caravan, Sinnbild des fortdauernden nachkriegsdeutschen Biedermeiers.

Denn im Innern sitzen die aus der Enge der viel zu kleinen Ateliers geflüchteten Studenten und bauen an einem Modell zukünftiger Kunstkritik, das ihnen nicht zuletzt Aufschluss über den eigenen Schaffensprozess geben soll. Dass sie sich dabei der Begriffe und Fragestellungen betriebswirtschaftlichen Produkt- und Qualitätsmanagements bedienen, ist so seltsam wie folgerichtig. Denn wie jedes andere Produkt muss Kunst heute bekanntlich vor allem eins: sich rechnen. Also spricht man von ISO-Normen, führt Worte wie „Benchmarking“ (eine ambitionierte Form der Wettbewerbsbeobachtung) und „Reengineering“ (die Umgestaltung von Produktionsprozessen hinsichtlich Kosten, Qualität und Zeit) im Munde und geht, statt wie früher auf Galerienrundgang, auf „Produkt-Audits“.

An Ort und Stelle wird knallhart geprüft und vermessen, werden Galeristen mit Fragen zur Halt- und praktischen Anwendbarkeit und zur Wirtschaftlichkeit des Produktionsweges der von ihnen feilgebotenen „Ware“ zur Rede gestellt. Das ist natürlich lustig anzuschauen. Wirklich wunderbar indessen an dieser Untersuchung zur Markt- und Börsentauglichkeit der Kunst ist etwas anderes: Wer nämlich bei so einem Audit der von einem Stuttgarter Privatdozenten angeleiteten Gruppe einmal dabei gewesen ist, der wird den Eindruck nicht los, an einer gut gemachten Performance teilgenommen zu haben. Diese aber unterläuft die marktwirtschaftlichen Kriterien und strikten Normierungen, mit denen die Gruppe hantiert, spielend. Und für die Exterritorialität und Mobilität, wie sie sich hier einmal mehr als das A und O der Kunst erweisen, ist ein Wohnwagen eigentlich auch kein so übel gewähltes Bild. SASCHA JOSUWEIT