: Ein Polit-Rüpel auf Besuch in Rom
Der österreichische Rechtspolitiker Jörg Haider bekommt beim Papst nur eine Mini-Audienz. Doch die wird von vier Gegendemonstrationen und einer Straßenschlacht mit der Polizei begleitet. Die Christbaum-Feier bleibt ungestört
aus Rom MICHAEL BRAUN
Der österreichische Rechtspolitiker Jörg Haider sah sich selbst als „Friedensengel“ auf seinem Kurzbesuch in Rom. Gekommen in seiner Eigenschaft als Kärtner Landeshauptmann, um am Samstag beim Papst den Weihnachtsbaum für den Petersplatz anzuliefern, sorgte er dann aber doch dafür, dass es ziemlich unfriedlich herging im Schatten des Vatikans.
Beim Papst achtete Haider noch auf gute Manieren. Zwar gewährte der Heilige Vater ihm nur eine Ultra-Kurz-Audienz; zwar musste Haider es sich gefallen lassen, die gerade veröffentlichte päpstliche Friedensbotschaft überreicht zu bekommen, in der Johannes Paul gegen Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit wettert. Doch es blieb der diplomatische Erfolg, im Vatikan vorgelassen worden zu sein, und Haider dankte es mit einer schönen Predigt vor dem Weihnachtsbaum, in der es von Bekenntnissen zu „Frieden, Solidarität, Versöhnung“ wimmelte.
Ansonsten gab Haider den gut gelaunten Polit-Rüpel. Schon im Vorfeld hatte er Italiens Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi eine zu lasche Haltung gegenüber illegalen Einwanderern bescheinigt. Kaum in Rom angekommen, kanzelte er den Präsidenten und Ministerpräsident Giuliano Amato gleich dazu als „nervös“ und „schwach“ ab, weil sie es sich verbeten hatten, dass Haider seinen Vatikan-Besuch zu einer Mission in die italienische Innenpolitik umfunktionierte.
Dass der Mann es versteht, systematisch Öl ins Feuer zu gießen, zeigte er mit einem zweiten Statement. Die Absicht der jüdischen Geschäftsleute Roms, am Samstagnachmittag aus Protest gegen seinen Besuch die Lichter ihrer Geschäfte zu löschen, kommentierte er mit den Worten, sie wollten „wohl Strom sparen“.
Kaum erstrahlten die Lichter der gigantischen Tanne vor Sankt Peter, gingen in ganzen Straßenzügen des Stadtzentrums die Ladenbeleuchtungen aus. Dies blieb nicht der einzige Protest: Rom sah gleich vier Demos gegen Haider. Am Freitagabend veranstalteten die Gewerkschaften einen Fackelzug, trafen sich alte Partisanen zu einer Kundgebung vor dem früheren Gestapo-Hauptquartier in der Via Tasso. Am Samstag Vormittag zogen an die 2.000 Gymnasiasten durch die Stadt.
Am Nachmittag, pünktlich zur Zeremonie auf dem Petersplatz, hatten Rifondazione Comunista und die Autonomen Jugendzentren zu einem Anti-Haider-Fest vor der Engelsburg, nur ein paar hundert Meter vom Vatikan entfernt, eingeladen. Einige tausend Bürger waren dem Aufruf gefolgt. Schon seit Tagen kursierte der Plan, mit einem großen Plakat – es zeigte ein Bild von Auschwitz mit der Aufschrift „Nie wieder“ – zum Petersplatz zu ziehen. Wie zu erwarten, hatte die Polizei diesen Abstecher zu Haiders Christbaum-Feier verboten. Als einige hundert Demonstranten dennoch versuchten, die Polizeiabsperrungen zu durchbrechen, kam es zu schweren Straßenschlachten mit fünfzig Verletzten und sieben Festnahmen. Tränengas- und Knüppeleinsatz gewährleisteten, dass Haiders Friedensfeier ungestört über die Bühne gehen konnte.
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