Geburtstagsgast: Ganzheitlich gibt's nich
■ Die Vision von der ganzheitlichen Klinik ist in Bremen nicht verwirklicht
Christine Bernbacher wird heute 70 Jahre alt. Ende der 70-er Jahre war sie aus der SPD ausgetreten und hatte die grüne Partei in Bremen mitgegründet. In dem studentischen Sponti-Zirkel hatte die Stimme der gestandenen Mutter immer ein besonderes Gewicht. Ihrem Ruf als unbeugsame Dame der Grünen wurde sie während der Ampelkoalition gerecht: Als die Landesverfassung geändert werden sollte, stand der notwendige Konsens eigentlich schon – bis auf die Abgeordnete Bernbacher. Mit ihrem Veto erzwang sie, dass der Umweltschutz als Verfassungsziel aufgenommen wurde. Zu ihrem Geburtstag schenkt die taz ihr den Raum, zu sagen, was ihr immer schon am Herzen lag. Sie hat uns beim Wort genommen: Statt einer Generalabrechnung hat sie über das Projekt geschrieben, in dem sie ihr politisches Engagement und ihren Krankenschwestern-Beruf verbindet.
1993 nahm ich mir vor: Bis zu meinem 70. Geburtstag sollte es eine medizinisch ganzheitliche Klinik in Bremen geben. Sieben Jahre später gibt es immer noch keine Klinik dieser Art.
Den Anstoß gab einst ein erfolgreicher Kongress zum Thema „Krankenhaus 2000 – Krankenhaus der Zukunft“. Danach gründeten Menschen aus Heilberufen und andere Interessierte den Verein „Mensch im Mittelpunkt der Medizin“. Wir wollten eine ganzheitlich orientierte Klinik für Bremen. Jahrelang haben wir an diesem Projekt gearbeitet. Mit Vorträgen und einem weiteren Kongress gingen wir an die Öffentlichkeit. Der mühsame Weg durch die Bremischen Behörden, Krankenkassen und Gesundheitsministerien, die Suche nach Sponsoren – für die Aktiven war es ein Wechselbad der Gefühle: Hoffnung, Freude, Enttäuschung und Wut.
Die Gesundheitsreform kam uns nicht entgegen: „Bettenabbau“; „Kostendämpfung“ – dagegen zeigten unsere Argumente, dass die alternative Medizin gerade bei den kostenaufwändigen chronisch Kranken größere kurative Erfolge hätte, wenig Wirkung. Dennoch wurde ein Mitträger für die spätere Klinik gefunden. Die Gesundheitsbehörde schien wohlwollend. Der Standort stand fest, Konzept und Wirtschaftsplan lagen vor, Architekten machten Pläne. 1999 kam dann die große Enttäuschung: Die Gesundheitsbehörde wollte das Projekt nicht gegen die Kassen durchsetzen, und die blieben skeptisch.
Für eine Festschreibung im Landeskrankenhausplan 2002 gab es keine Zusage. Unser Partner, die Johanniter Bramsche, zog sich zurück. Aber wir geben nicht auf! Nach wie vor sind wir der Überzeugung, dass die Schulmedizin in manchen Bereichen an ihre Grenzen gestoßen ist. Immer mehr Menschen verlangen mit Nachdruck nach einer komplementären Medizin. Die Krankenkassen wissen inzwischen, dass die Medizin mit weniger High-Tech und weniger chemiedefinierten Medikamenten Kosten einspart und Rückfälle seltener werden. Es ist eine Frage der Zeit, dass sie auch die Kosten einer ganzheitlichen Versorgung übernehmen.
Christine Bernbacher
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