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Mix ohne Beliebigkeit

Akzente setzt er vor allem mit seiner Stimme: Patrice in der Markthalle  ■ Von Barbara Schulz

des kommenden Jahres wird das Label eine neu verpackte Version von Ancient Spirit auf den Markt werfen, wo neben Neuaufnahmen der Hits „No excuse“ und „Love“ auch das rare Frühwerk „Lions“ vertreten sein wird.

Wie bitte, in zwei Tagen soll schon Weihnachten sein? Tja, das sagt zwar der Kalender, aber weit und breit ist von Weihnachtsstimmung überhaupt nichts zu spüren, abgesehen von den scheinbar jedes Jahr anwachsenden Menschen-massen, die sich landauf landab schlecht gelaunt durch die hässlichen Einkaufsstraßen quälen, um nur für „ihre Lieben“ noch ein bisschen dem Kapitalismus frönen zu dürfen. Selbst haben sie dabei wenig Spaß, und dabei heißt es doch eigentlich, dass Weihnachten das Fest der Liebe sei und Geschenke mit Liebe seien doch die besten. – Ach, papperlapapp, auch dieses Jahr: alles im A... Argen. Also, da wir uns nun so gar nicht weihnachtlich fühlen (wo bleibt eigentlich der zigmal versprochene Schnee, hä?) brauchen wir ein bisserl was Warmes für die Seele und den Körper.

Und das Christkind schickt uns dafür netterweise heute Abend schon „den“ Star dieses Sommers, nämlich Patrice, die Reggae-Rakete, den Propheten für Soul, Reggae, Folk und Hip Hop. Der auch in Japan und Frankreich sehr beliebte, äußerst ansehnliche junge Mann bringt seine Messages in einer Mischung aus englischer Sprache und jamaikanischem und sierra-leonischen Patois unters Volk und durfte sogar schon mal mit der berühmten Lauren Hill auf Tournee. In diesem Sommer machte er uns alle mit seinem zuckrig-süchtigmachenden Debüt-Album Ancient Spirit glücklich, das er von Matthias Arfmann, der auch schon die Absoluten Beginner aufgenommen hat, produzieren ließ. Darauf findet sich eine schwer bassige und gelungene Mixtur aus perlenden E-Piano-Sounds, die nach 70er-Soul klingen, programmierten HipHop-Beats, akustischen Roots-Reggae-Gitarren und jazzigen Bläser-Arrangements, die auf Dub treffen. Zur Seite standen Patrice eine Reihe hochkarätiger Musiker, unter anderem aus dem Umfeld von Rita und Bob Marley, aber auch ein paar der talentierten Jungs der Hamburger HipHop-Posse. Im Februar des kommenden Jahres wird das Label eine neu verpackte Version von Ancient Spirit auf den Markt werfen, wo neben Neuaufnahmen der Hits „No excuse“ und „Love“ auch das rare Frühwerk „Lions“ vertreten sein wird.

Nachdem er im Dezember nochmal durch halb Deutschland geschickt wurde, spielt Patrice heute Abend in der Markthalle – und alle sollten auf ihre Wunschzettel schreiben, er möge bitte, bitte, gute Laune haben, denn im Sommer, im Rahmen der frühabendlichen Veranstaltung „Musik plus Film“ im Stadtpark, wo er vor dem Wenders-Schnarch-Epos Buena Vista Social Club spielen durfte, hatte er die nicht so richtig. Er zog aber ganz passabel seinen Stiefel durch und ließ sich zur Freude seiner zahlreich erschienenen Fangemeinde, noch zu Zugaben herab. Anders war es leider auf der diesjährigen Popkomm in Köln, wo seine Fans erst stundenlang ausharren muss-ten, um letztendlich doch zu den Verlierern des Abends zu gehören, denn Patrice hatte nach dem langen Warten keine Lust mehr und brach seinen Auftritt nach zwei halbgar dargebotenen Liedern lustlos und zickig ab.

Wenn er aber in Stimmung ist, braucht's nicht viel, es reicht, wenn er mit seiner ungewöhnlichen Stimme, die in seltenen Momenten gar an Damo Suzuki, den zeitweiligen Sänger der Krautrock-Helden Can, gemahnt, sanft seine Gitarre bezupft und leidenschaftlich seine Texte ins Mikro predigt, dann ist er ein Magier. Ebenso wundervoll ist er aber auch, wenn er seine exzellente Backing Band dabei hat, zu dem die jamaikanischen Musiker der Shashamany Band um den Drummer Gandville Thomas und eben zwei oder mehrere stimmgewaltige Background-SängerInnen zählen. Wer wohl heute abend dabei sein wird? Auf jeden Fall hingehen. Dann wirds vielleicht doch noch was mit, äh, Weihnachtsstimmung, oder so.

heute, 21 Uhr, Markthalle

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