lob der faulheit
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von WIGLAF DROSTE

Schon das Wort klingt wie eine Drohung: Ar-beit! An-die-Ar-beit! Man muss nicht einmal an das ekelhafte „Arbeit macht frei!“ denken, das die Nazis zur Verhöhnung ihrer Opfer über das Eingangstor eines ihrer Konzentrationslager schrieben, nicht an die hoffnungserpresserischen, mit dem Versprechen von „Arbeit!“ ankobernden Wahlparolen der NSDAP – die Jahrzehnte später, bei den Wahlen zum Europaparlament 1994, im SPD-Slogan „Arbeit. Arbeit. Arbeit.“ nahezu unverändert wiederauferstanden. Arbeit klingt nach Zwang und nach Strafe, nach Machtausübung und nach geduckter Kreatur. Arbeit zieht das Hilfsverb „müssen“ nach sich; vom Jubel des Lebens ist da nichts zu hören.

„Dumm sein und Arbeit haben, das ist das Glück!“, spottete Gottfried Benn sehr mitleidlos; wenn man einmal sah, wie hunderte von Arbeitsameisen und Arbeitssoldaten in der Gruner-&-Jahr-Fabrik oder in der ZDF-Anstalt verschwinden, weiß man, was Benn meinte. So überhöht ist der Stellenwert der Arbeit, dass zeitweise, in den Siebziger- und Achtzigerjahren, sogar von „Liebesarbeit“ die Rede war, um – über die Arbeit als Wert an sich – die Liebe quasi zu rechtfertigen. Das war so krank, wie es sich anhört: „Beziehungsarbeit“. Brrr.

Wer nicht faulenzen kann, mit dem ist etwas faul. Wer keine paradiesischen, schlaraffenländischen Wünsche hat, bereitet anderen die Hölle auf Erden: Immerzu muss er herummocheln, werkeln, rumoren, Unruhe und Hektik erzeugen, Krach machen, LERM erzeugen. In des Daseins stillen Glanz / platzt der Mensch mit Ententanz. Und das andauernd.

Eine gute Arbeit, eine, die man gern und gut macht, die befriedigend ist, erfüllend und inspirierend, ist traumhaft. Dass solche Arbeit ein Privileg ist, darf man für skandalös halten. Dass angesichts so wenig guter Arbeit und so vieler mieser Jobs die Arbeit als solche ein Privileg ist, eine Gnade, die gewährt oder entzogen werden kann, ist weit skandalöser. Sich gönnerhaft Arbeitgeber nennen und andere zur Arbeit unter miserablen Bedingungen und zu ganovischen Konditionen pressen – das ist die Freiheit, die sie meinen, wenn von Freiheit die Rede ist. Ich wünsche ihr keine Dauer.

Der Traum ist alt, aber das Altern nimmt ihm nicht seine Schönheit und seine Anziehungskraft: eine Arbeit tun, weil man sie liebt, eine Arbeit, die nicht so verblödend und auslöschend ist, dass man sich anschließend außer Arbeit nichts mehr vorstellen kann. Sondern eine, die als Vorfreude auf die Faulheit den Genuss des Faulenzens noch steigert, auf dass man sich ein heiteres Glück zusammenreimen kann auf der Matratze: Faulsein kostet reichlich Kraft / Man liegt da und ist geschafft / Denn man musste so viel tun / Schlummern, dösen und dann ruh’n / Lecker essen, lecker trinken / Wieder in die Kissen sinken / Schnurrend in der Suhle liegen / Und sich umeinander schmiegen / Um in diesem guten Hafen / Wiederum sich auszuschlafen / Bald singt man in höchstem Ton: / Regression, ich komme schon / Welt, du bist aus einem Guss / Glück ist, wenn man nichts mehr muss.