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Das harte Fest der Wahrheit

■ Viel Arbeit für Männerterapiezentrum zum Jahreswechsel

Das Fest der Liebe ist in Wirklichkeit das Fest der Wahrheit. Beziehungen, monatelang im Alltagsstress für erträglich befunden, brechen zusammen, einsame und verletzte Herzen irren durchs winterliche Bremen. Wer Mann ist und nicht klar kommt zwischen den Jahren, kann sich ans Männertherapiezentrum wenden. Hier gibt es ein Krisentelefon. Die beiden Therapeuten am anderen Ende sind von heute an bis zum 7. Januar täglich zwischen 10 und 11 Uhr nicht nur für Beziehungsopfer da, sondern für alle Wesen der männlichen Spezies, die zwischen Weihnachten und Silvester die Trauer, Angst, Panik, Wehmut ergreift.

„Es ist nicht so, dass dann hier der Riesentrubel los ist“, erklärt Psychologe Magnus Vorwold, „aber oft ist es ja auch beruhigend, dass es so ein Angebot gibt.“ Vor dem großen Fest sind alle in Hektik, danach komme dann oft die große Leere, weiß Vorwold. Sein Kollege Hans Simonsen berichtet von einem Mann, der mitten in der Nacht vom Auto aus anrief: Seine Frau hatte ihn ausgesperrt, alles vorbei, „und Alkohol war auch im Spiel“, erzählt Simonsen. Dann heißt es: Zuhören, Beruhigen, weitere Gespräche anbieten.

Das Männertherapiezentrum existiert seit sechs Jahren. Rund 100 Männer im Jahr nehmen die kostenlose Beratung in Anspruch, andere sind in Therapie bei Vorwold oder Simonsen oder besuchen eine der Männergruppen. Meist Männer zwischen und 30 und 60 Jahren, die beruflich etabliert sind, die eine Familie haben, kurz: die erstmal alles geschafft haben, kommen in die Räume am Buntentorsteinweg. „Denn dann tut sich für viele die Sinnfrage auf“, sagt Simonsen.

Das zweite Feld der Auseinandersetzung: das Dasein als Mann in einer Welt, in der nur noch weniges als typisch männlich oder typisch weiblich durchgeht, und wenn doch, dann ersteres garantiert mit negativen Vorzeichen. Vorwold formuliert so lakonisch wie treffend: „Männer ziehen ja im Grunde nach. Sie wollten sich nicht verändern. Aber jetzt sind sie gezwungen sich zu verändern.“ Fast liebevolles Verständnis für das eigene Geschlecht: „Für Männer ist es eine ganze Ecke schwieriger, sich überhaupt zu verändern.“

Inzwischen sei es längst so, dass Männern auch Schwachsein zugestanden werde, wissen Vorwold und Simonsen, „aber wenn es dann wirklich drauf ankommt, dann können sie nicht schwach sein.“ Die Folge: körperliche Symptome. Impotenz oder Suchtprobleme sind nur zwei davon.

Ins Männertherapiezentrum kommen weniger Menschen aus sozial schwachen, eher Menschen aus mittleren und gehobenen, intellektuellen Kreisen, beobachten die beiden Therapeuten. „Und es kommen schon eher die Lieben, die Opfer“, sagt Vorwold, „die so genannten Täter-Männer haben eine Riesen-Hemmschwelle.“ sgi

Der Krisendienst des Männertherapiezentrums ist von heute an bis zum 7. Januar täglich zwischen 10 und 11 Uhr zu erreichen. Tel.:  55 7777 88

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