: Ein Kubus für den Humus
Wie modern dürfen die Häuschen im Grünen sein? Eine Ausstellung in Potsdam zeigt das Modell einer „Laube für den Kleingarten der Zukunft“, die der Berliner Architekt Jörg Joppien entworfen hat – Hochbett inklusive
Die Geräte sind eingesammelt und verstaut, das Gartenmobiliar ist eingemottet. Wer durch die in Berlin und Brandenburg verbreiteten Kleingärten streift, blickt auf verlassene Parzellen und winterfest gemachte Datschen, die allenfalls Aufsehen erregen, wenn ein entflohener Straftäter sich dort verschanzt. Dass so eine Laube kein Wolkenkuckucksheim von einfältiger Gestalt sein muss, zeigt der soeben in einem Wettbewerb prämierte Entwurf des Berliner Architekten Jörg Joppien.
Nur auf den ersten Blick erscheint die kubische Skulptur als schlichte Form. Tatsächlich verbirgt sich dahinter ein ausgeklügeltes Objekt in mannigfaltigen Variationen. Hier klappt eine Tür nach unten auf, um den Rasenmäher aufzunehmen, dort lässt sich ein Garagentor hochfahren und vergrößert den Innenraum um den Freisitz. Dann wieder kann der Küchenblock auf die Terrasse herausgezogen werden, damit das Gemüse aus eigenem Anbau auf dem kürzesten Weg im Kochtopf landet.
Für eine gerade an trüben Dezemberregentagen oft vermisste Sommerlichkeit sorgt die erste „Musterlaube“, die zur Präsentation der vier Arbeiten des Auswahlverfahrens mit dem hochtrabenden Titel „Laube für den Kleingarten der Zukunft“ im Maßstab 1:1 bereits errichtet wurde. Sie fügt sich in eine ambitioniert gestaltete „Modellkleingartenanlage“, die der Entwicklungsträger Bornstedter Feld anlässlich der Bundesgartenschau Potsdam 2001 in der Lennéschen Feldflur nach Plänen der Berliner Landschaftsarchitektin Gabriele Kiefer angelegt hat.
Kleingärten, einst als Errungenschaft der Arbeiterkultur gefeiert, sind noch heute gesetzlich definiert: „Ein Kleingarten ist ein Garten, der 1. dem Nutzer zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf und zur Erholung dient und 2. in einer Anlage liegt . . .“, heißt es nüchtern im BKleingG (Bundeskleingartengesetz). Eine Parzelle darf höchstens 400 qm groß sein, die Laube nicht mehr als 24 qm Fläche aufweisen und 4 m Höhe nicht überschreiten.
Diese nicht gerade üppigen Parameter hat Joppien ausgenutzt und sechs Funktionsmodule entwickelt, die unterschiedlich formiert werden können. Sein Spaß am Kleinsthaus führte offensichtlich zu einer vielfältigeren Nutzbarkeit, als das BKleingG vorsieht: So findet sich im oberen Teil des lang gezogenen „Geräteregals“ ein provisorischer, doch nicht erlaubter Schlafplatz an Stelle einer Lagerungsstätte für Dörrobst.
Die aus wetterfest verleimtem Sperrschichtholz gebaute Laube ist ganz der klassischen Moderne verpflichtet und vermittelt in ihrer Funktionalität ein fast belehrend aufschlussreiches Bild. Scharfkantig und mit roher Holzoberfläche erinnert sie an die erste Siedlung von Le Corbusier in Lège. Offenbar hat sich Joppien an deren fast achtzigjährige Geschichte gehalten: In dieser Zeit wurden den kubischen Häusern zunächst Satteldächer, Verblendsteine und allerlei andere Attribute konventioneller Häuser beigefügt, bis sie erst jüngst wieder entfernt wurden. Jedenfalls hielt er sich bewusst von irgendwelchen Farbkonzepten fern und meinte launig, das seine Lauben auch tapeziert werden könnten. Mal sehen, was dem Laubenpieper der Zukunft gefällt. MICHAEL KASISKE
Bis 30. 12. 2000, Mo.–Fr. 14–18 Uhr, Sa. + So. 11–17 Uhr, Nauener Tor (Westflügel), Friedrich-Ebert-Str., Potsdam
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