: Mit Lärmschutz gegen die Bürger
Die hessische Landesregierung versucht sich die Zustimmung zum Ausbau des Frankfurter Flughafens mit kleinen Geschenken zu erkaufen – erfolglos
aus FrankfurtKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
Kaum hat der hessische Minister für Wirtschaft und Verkehr, Dieter Posch (FDP), das Schallschutzprogramm für die Kommunen im Umland des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens vorgelegt, gibt es Ärger. Der Minister wolle die „Käfighaltung der Bürger“, wetterte der Rechtsbeistand der Stadt Raunheim, Klaus Haldenwang, auf einer Bürgerversammlung. Die betroffenen Menschen könnten doch nicht ständig hinter geschlossenen Türen und Fenstern leben. Bürgermeister Thomas Jühe (SPD) sprach von einer „Lachnummer“.
Gerade mal 100 Millionen Mark will die CDU/FDP-Landesregierung für Lärmschutz in Kelsterbach, Flörsheim, Raunheim und Rüsselsheim ausgeben. Schon im März hatte Ministerpräsident Roland Koch (CDU) den Hausbesitzern in der Region versprochen, sie für die Wertminderung ihrer Immobilien „voll zu entschädigen“ – aus der Kasse der Flughafen AG (FAG).
Koch packte noch ein „striktes Nachtflugverbot“ drauf. Doch schon jetzt nehmen die Nachtflugbewegungen zu, wie Verkehrsminister Posch bestätigt. Posch ist im Gegensatz zu Koch nicht der Auffassung, dass man die FAG, die sich ab dem Jahreswechsel „Fraport“ nennt, oder die Airlines zwingen könnte, auf Nachtflüge zu verzichten. Die Lufthansa AG hat für diesen Fall mit Abwanderung vom Rhein-Main-Flughafen gedroht. Dennoch haben CDU und SPD erklärt, einem Ausbau von Rhein-Main nur zuzustimmen, wenn es ein Nachtflugverbot gibt. Nur die Grünen haben sich bedingungslos gegen die avisierte Landebahn Nord im Kelsterbacher Forst ausgesprochen.
Viele Kommunen im Umland bereiten inzwischen Klagen gegen den Ausbau vor. Auch der laufende Betrieb auf dem größten kontinentalen Airport ist Ziel juristischer Attacken von Gemeinden und Bürgern. Der Bodenlärm am Airport, sagt Rechtsanwalt Haldenwang, überschreite die zulässigen Werte um mehr als 6 Dezibel: „Jeder andere Gewerbebetrieb wäre längst geschlossen worden.“ Und der Überfluglärm sei auch ohne neue Landebahn unerträglich.
Bei Langzeitmessungen in Flörsheim und Neu-Isenburg etwa wurden weit höhere Lärmwerte gemessen als von der FAG angegeben. Die FAG-Daten waren Grundlage für die Arbeit der Mediatoren, die bei der Flughafenerweiterung das Pro und Contra abwägen sollten. Offenbar stellt sich jetzt heraus, dass die im Gutachten prognostizierte Lärmentwicklung nach einem Ausbau nicht realistisch ist. Das haben auch die Sprecher von mehr als 50 Bürgerinitiativen rund um den Flughafen immer wieder gesagt. Die BIs haben sich sinnigerweise das alte Kürzel der Fraport zugelegt: FAG – Flughafen-Ausbau-Gegner.
Für Verwirrung sorgt indes ein Vorschlag der Pilotenvereinigung Cockpit (VC). Die Kapazitätserweiterung durch die Landebahn Nord sei doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, sagt VC-Sprecher Georg Fongern. Rhein-Main werde sechs Jahre nach dem Bau der neuen Landebahn wieder überlastet sein. Fongern wünscht sich den Bau eines Flughafens Frankfurt II – entweder in der Wetterau oder in Rheinhessen. Fraport reagierte prompt: „Kein Thema.“ Doch in den Kommunen und auch in Wiesbaden wird der Vorschlag heftig diskutiert.
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