piwik no script img

Brutzeln für Deutschland

Ob mit Biolek, Lafer, Klink oder Lojewski: Auf Deutschlands Fernsehkanälen wird mehr gekocht denn je. Doch an die ironischen britischen Vorbilder reicht keine der Löffelshows heran, leider – findet:

STEFFEN GRIMBERG

„Schon Clemens Wilmenrod hatte Ketchup zum Matjes geschüttet.“ – Welch ein Satz. In ihm ist alles enthalten: Fisch, Vorurteil und vor allem – der Fernsehkoch.

Wilmenrod war vor vielen Nachfolgern der Erste in Deutschland, der vom Februar 1953 an in Kachelkulisse vor laufender Kamera kochte. Natürlich bei der ARD, denn damals gab es noch kein anderes Programm. Kochen ist auch noch keine wirklich öffentliche Angelegenheit, erst recht kein Hobby, sondern eher Nachhilfestunde nach entbehrungsreicher Zeit.

Also zaubert Carl Clemens Hahn, der sich nach seinem Westerwälder Heimatort Wilmenrod nennt, mit belehrender Behäbigkeit Unerhörtes auf den Teller. Der Exschauspieler macht Deutschland mit dem Hawaiitoast bekannt und versieht sein „Arabisches Reiterfleisch“ mit damals exotischen Gewürzen wie Kreuzkümmel oder Kardamom. Wilmenrod kocht das ganze Wirtschaftswunder durch, erst 1964 ist nach über 180 Sendungen Schluss.

Urvater aller „Kochduelle“ und „Alfredissimos“ aber war ein – Franzose in britischen Diensten. Marcel Boulestrine, der Mann, der wie eine Dosensuppe heißt, schwingt schon im Januar 1937 im Testprogramm der BBC den Löffel. Sein „Cooks Night Out“ ist das erste so genannte Kochformat der Welt.

Ausgerechnet die wegen ihrer angeblich ach so ungenießbaren Küche geziehenen Briten sollen das Kochen im Fernsehen erfunden haben? Dabei beweist die verbürgte Anekdote nur, dass die Esser von der Insel ihren deutschen Zeitgenossen schon immer eins voraus hatten: kulinarische Selbstironie. Und die erweist sich als beständig. Bis heute kommen die besten Ideen für TV-Kulinarik aus Großbritannien.

Die gegenwärtige deutsche Fernsehkocherei lässt sich grob in drei Gruppen gliedern: Da sind zunächst die Inszenierungen der Profihalbgötter in Weiß, die erstens einen Fresstempel in schönster Lage und zweitens eine eigene Sendereihe haben. Vincent Klink ist einer der Besten aus dieser Kategorie („Kochkunst mit Vincent Klink“), auch wenn ihm sein Sender offenbar nicht traut und deshalb einen eher nervigen Moderator und einen oft unpassenden Studiogast in die Küche stellt. Da kann man dann den Vorsitzenden der Deutschen Schillergesellschaft zum Thema Schillerlocke bewundern, auch wenn der fette Räucherfisch mit dem dünnen Dichter eigentlich gar nichts zu tun hat. Und Klink kocht derweil – wohl als Hommage an Wilmenrod – Hawaiitoast auf seine Art, mit karamellisiertem Schweinefilet und frischer Ananas.

An Johann Lafer kommt man ebenfalls nicht vorbei. Muss man aber: Er kocht zwar gut, ist aber, weil er seine Studiogäste ständig wie Sklaven behandelt, der arroganteste Vertreter seiner Zunft – und nebenbei der unbestrittene Meister in Sachen Selbstvermarktung .

Alfred Biolek gebührt dieser Titel bei den Nichtprofis. „Alfredissimo“ lizenziert mittlerweile ein Label für Weingläser, Geschirr und Gewürze. Dennoch steht der Volljurist und einstige Producer von Rudi Carells Show „Am laufenden Band“ für eine der wenigen originären Kochsendungen des deutschen Fernsehens. Trotz seiner Generalantwort „Ah ja“ und der immer gleichen „Das ist ja toll! Toll!“-Begeisterung, der dann gelegentlich ein „Ausgezeichnet!“ folgt: Sein Konzept ist uns angemessen.

In seiner Schlichtheit gerade bei den Dialogen (Gast: „Was ist denn jetzt der Trick, dass die nicht zäh werden?“ – Biolek: „Man darf sie nicht zu lange drinlassen.“) ist „Alfredissimo“ immer dann überzeugend, wenn es wirklich ums Kochen geht. Allein: Die Reihe hat ihre Garzeit überschritten, alles ist schon leicht pappig geworden.

Biolek tappt manchmal arg verwirrt durch seine eigene Studioküche (eins zu eins eine Kopie seines heimatlichen Herdes, wie in jeder fünften Sendung versichert wird, aber leider viel zu teuer, als dass sich dieses Interieur wie die unnötig großen „Alfredissimo“-Pastateller hätte erfolgreich vermarkten lassen), faselt viel von süßem Wein, der wieder im Kommen sei, und hat auch längst die einigermaßen kulinarisch begabte Viertelprominenz durch. Es ist wirklich nicht schön, Menschen zuzugucken, die sich nichts zu kochen und nichts zu sagen haben.

Doch genau dies ist das Grundprinzip der dritten Abteilung von Kochsendungen: „Kochduell“ (Vox) oder „Echt scharf“ (tm3) sind Gameshows mit esstechnischem Aufhänger, lustig, simpel und – britisch. Im Original heißen die Sendungen viel schöner: „Ready, Steady, Cook!“ beziehungsweise „Can’t Cook, Won’t Cook“. In Letzterer mimt der Koch zugleich den Moderator, doch was ein Richard Cawley bei der BBC kann, geht den Weißmützen von tm3 leider völlig ab: Charmant und etwas tuntig im rosa schillernen Hemdchen dastehen und völig ernsthaft Oh dear. Be carefull, we’re not insured sagen, wenn sich eine unbedarfte Kandidatin beim Schnippeln anstelle der Schalotte die eigene Fingerkuppe vornimmt.

So viel Witz in eigener Sache gibt es nur in Großbritannien, diesem Schlaraffenland der Fernsehkocherei. Dort harren noch Formate von Gewicht ihrer Entdeckung: „Two Fat Ladies“ zum Beispiel, das Duo der Kochwalküren Clarissa Dickson-Wright und der kürzlich verstorbenen Jennifer Paterson: Wenn die beiden auf einem alten Motorrad mit Sozius unterwegs sind, um von schottischen Schlossgesellschaften bis zu westenglischen Pfadfinderlagern alles zu bekochen, was nicht rechtzeitig die Flucht ergreift, wird es derb und deftig.

Die beiden nuschelnden älteren Damen haben ein klares Feindbild (den Vegetarier als solchen) und eine bewegte Vergangenheit als Köchinnen in Indien und auf Kreuzfahrtschiffen. Sie benutzen nie chromblitzende Utensilien, sondern nehmen lieber ihre Hände, um die Marinade in den Braten zu kneten. Für die Forellen im Pfadfinderlager brauchte es auch keine Pfanne: Sie werden, erfuhren wir, im Erdloch auf Reisigfeuer gegart.

Und wenn dann Hugh Fearnley-Wittingstall als „Cook on the Wild Side“ aufbricht, um in seinem alten Landrover über Land zu fahren und den Traum von der mobilen Unabhängigkeit auszuleben, ist das ganz große Glück perfekt: Hier gibt es nichts nachzukochen (es sei denn, man will es auch mit Grünzeug vom Wegesrand versuchen), aber dafür einen TV-Chef, der zur besten Sendezeit nackt (mit Brille!) unter der Campingdusche steht. Und dabei sagt: I’m going back to my roots. And if I find them, I’ll probably eat them.

Würden Lafer oder Biolek auf diese selbstironische Weise zu ihren Wurzeln zurückgehen? Wäre Wilmenrod auf einen solchen Trip gegangen? Undenkbar. Tröstlich ein Blick auf die Insel: Denn was kippten die Pfadfinder, nachdem die zwei fetten Ladys die Forellen wieder ausgebuddelt hatten, auf den edlen Fisch? – Ketchup. Toll!

STEFFEN GRIMBERG, 32, kocht laut und lecker und sieht mittlerweile auch danach aus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen