: Diepgen rennt noch immer vorne weg
Der Regierende Bürgermeister liegt laut einer Forsa-Umfrage an der Spitze der Beliebtheitsskala. Schulsenator Böger rutscht in den Keller, ebenso die SPD mit 23 Prozent. Analyse sieht Stadt, bis auf Mitte, tief in Ost und West gespalten
Eberhard Diepgen (CDU) bleibt ein Berliner Mysterium. Obwohl der Regierende Bürgermeister im vergangenen Jahr weder auf internationalem Parkett noch als Landesvater und Justizressortleiter für Furore sorgte, halten ihn die Berliner – womöglich auch wegen fehlender Alternativen in der SPD – weiter für den Politstar der Stadt. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa zum Jahreswechsel führt Diepgen mit Abstand als beliebtester Politiker vor seinen Kollegen. Schlusslichter auf der Sympathieskala bleiben die SPD-Senatoren Peter Strieder und Klaus Böger sowie die Fraktionschefs der PDS und Grünen, Harald Wolf und Sybille Klotz. Wäre am Silvestertag 2000/2001 Wahl zum Abgeordnetenhaus gewesen, hätte die CDU wie im November 44 Prozent errungen. Die SPD fiel dagegen von 25 auf 23 Prozent, die Grünen kamen auf 12, die PDS ebenfalls auf 12 Prozent der Stimmen.
Allerdings hat der CDU-Chef von seinem Image eingebüßt: Mit 1,9 Punkten (auf einer Skala von +5 bis -5) liegt er zwar deutlich vor dem Zweitplazierten, Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (0,8 Punkte). Dennoch erhielt Diepgen 0,3 Zähler weniger als im Vormonat.
Fast alle wichtigen Berliner Politiker mussten im Dezember 2000 Beliebtheitseinbußen hinnehmen. So ging der Wert von Innensenator Eckart Werthebach (CDU) von 0,7 auf 0,4 zurück, der von CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky von 0,5 auf 0,4, und Finanzsentor Peter Kurth fiel von 0,4 auf 0,2 Zähler. SPD-Fraktionschef Klaus Wowerweit dagegen konnte sich von 0,6 auf 0,7 steigern, ermittelte Forsa. Schlusslicht im Personen-Barometer bleibt der Schulsenator und stellvertretende Regierungschef Böger mit minus 1,0 (vorher minus 0,8).
Während die Forsa-Umfrage ermittelt hat, dass für die Mehrzahl der Berliner die Themen Arbeitslosigkeit und Bildungspolitik zu den dringlichsten Problemen der Stadt gehören und die „Mauer in den Köpfen“ kaum noch Relevanz besitzt, ist nach Ansicht des Stadtsoziologen Hartmut Häußermann Berlin auch zehn Jahre nach der Vereinigung eine geteilte Stadt.
„Der alte Westen und der alte Osten stehen nach wie vor einander unbekannt und ignorant gegenüber“, so Häußermann. „Die Grenze ist in den Köpfen und Gefühlen der Leute nach wie vor wirksam.“ Für den Stadtsoziologen der Humboldt-Universität, der eine Ost-West-Analyse erstellt hat, teilt sich die Stadt nicht nur in zwei Hälften, sondern in drei Bereiche auf. „Es gibt große Gebiete sowohl im Osten als auch im Westen, in denen nicht zu merken ist, dass sich in den vergangenen zehn Jahren irgendetwas verändert hat.“ Zudem sei nachweisbar, dass sich Zuzügler aus Bonn hauptsächlich im Westteil der Stadt niedergelassen hätten. Selbst die schönen Wohngebiete in Ostbezirken wie Weißensee, Pankow oder Karlshorst würden gemieden.
Lediglich im Bezirk Mitte und in den angrenzenden Bereichen vom Prenzlauer Berg entstehe ein neues Berlin. Hier habe die Vereinigung wirklich begonnen. „Das ist das Berlin der Zukunft“, prognostiziert der Experte.
ROLF LAUTENSCHLÄGER
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