piwik no script img

Künftig helfen Aktien statt Kinder

Bundesarbeitsminister Walter Riester will Pensionsfonds zur betrieblichen Altersvorsorge einführen. Die EU-Kommission bastelt derzeit an einer Richtlinie zu dem Thema. Umstritten ist, welchen Anteil an den Fonds riskante Anlagen haben dürfen

von HERMANNUS PFEIFFER

Bundesarbeitsminister Walter Riester macht mobil. Nach der privaten soll nun auch die betriebliche Altersvorsorge revolutioniert werden. Daher beschert uns Riester mit seiner Rentenreform auch so genannte Pensionsfonds. Im Januar will die Regierung Einzelheiten festlegen. CDU-Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz befürchtet schon jetzt „einen großen Schwindel“, da Riester nicht nach angelsächsischem Vorbild plane.

Das deutsche Rentensystem ruht auf drei Säulen: den öffentlichen Rentenkassen, der individuellen privaten Vorsorge und der „zweiten Säule“, der betrieblichen Altersversorgung. Künftig sollen zu dieser zweiten Säule Pensionsfonds dazukommen, die bislang verboten sind. Im Unterschied zu den klassischen Formen der Betriebsrente können sie alle Möglichkeiten der Kapitalmärkte frei nutzen und in Aktien, Derivate und Investmentfonds investieren. Im Allgemeinen zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (unversteuerte) Beiträge in einen Pensionsfonds ein, die dem Beschäftigten als (steuerpflichtige) Rente einmal zugute kommen.

Der Streit zwischen CDU und Bundesregierung dreht sich um einen zentralen Punkt: Wer trägt das Risiko? Bei den klassischen, „leistungsorientierten“ Pensionsfonds garantiert der Fonds den Arbeitnehmern eine bestimmte Mindestrente. Diese dürften den Vorstellungen der Bundesregierung nahe kommen. „Die eingezahlten Beiträge müssen als Mindestleistung garantiert werden“, fordert Minister Riester seit langem.

Die CDU will dagegen einen Verzicht auf feste Leistungszusagen – wie in den USA. Ein solcher Verzicht soll die Chancen auf gute Renditen erhöhen. In den Vereinigten Staaten sind inzwischen rund die Hälfte aller Pensionsfonds „defined contribution“. Festgelegt ist dann nicht eine spätere Rente in Höhe der Summe X, sondern nur die Höhe der monatlichen Einzahlung.

Der tatsächliche Ertrag im Rentenalter hängt dann maßgeblich vom Geschick des Pensionsfonds und der von ihm beauftragten Kapitalanlagegesellschaft ab. Seit den Achtzigerjahren wächst in den USA der Anteil dieser „beitragsorientierten“ Pensionsfonds. Seither stieg die Zahl der Mitglieder dieser staatlich geförderten Sparpläne von zehn auf dreißig Millionen. Insgesamt sind nach OECD-Angaben in den USA mehr als fünf Billionen Dollar in Pensionsfonds angelegt. In Europa sind beitragsorientierte Pensionsfonds lediglich in Dänemark bekannt.

Das Anlegerrisiko trägt allerdings der Arbeitnehmer, und das ist erheblich, wie ein Blick in die Statistik des Bundesverbandes Deutscher Investment-Gesellschaften (BVI) belegt. Die Renditedifferenzen sind selbst zwischen „sicheren“ Investmentfonds für die Altersvorsorge, so genannten AS-Fonds, gewaltig. So legte im Jahr 2000 ein ADIG-Fonds um 27 Prozent zu, während der Universal-AS-Fonds um fast neun Prozent an Wert verlor (bis 30. November 2000). Finanzexperten fürchten zudem, dass die gewaltigen Summen, die über die Fonds an die Kapitalmärkte drängen, womöglich neue Finanzkrisen auslösen können – etwa, wenn mehrere Milliarden über Nacht von einem Land in ein anderes geschafft werden, das höhere Renditen verspricht.

Doch auch ohne Riesters Rentenreform stünden Pensionsfonds vor der Tür. Denn die EU-Kommission bastelt seit einiger Zeit an einer Richtlinie, die europaweit festlegen soll, wie solche Fonds beschaffen sein müssen. In anderen europäischen Ländern ist es längst an der Regel, über Pensionsfonds für das Alter vorzusorgen. In Großbritannien etwa sind 900 Milliarden Dollar auf diese Art angelegt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen