: Uranstaub vernebelt den Blick
Im Bundesverteidigungsministerium möchte man zu offenen Fragen keine Angaben machen. Man weicht aus und spielt auf Zeit
von BETTINA GAUS und ANDREAS ZUMACH
Manchmal sind einfache Fragen offenbar schwer zu beantworten. Das Verteidigungsministerium hatte Anfang der Woche Entwarnung gegeben: Bei den so genannten Bio-Monitoring-Tests, die Aufschluss über eine mögliche Gesundheitsgefährdung von Bundeswehrsoldaten durch Reste der im Kosovokrieg verwendeten urangehärteten Munition liefern sollen, seien „keine Erkrankungen oder Auffälligkeiten festgestellt worden, die durch radioaktive Strahlung hervorgerufen werden können“.
Das ist eine gute Nachricht. Im Allgemeinen gehen die Überbringer erfreulicher Botschaften gerne ins Detail. Nicht so das Verteidigungsministerium. Was genau wurde denn bei diesen Tests untersucht? Diese Frage ist von entscheidender Bedeutung. Denn die zehntausenden amerikanischen und britischen Soldaten, die seit dem Golfkrieg gegen den Irak im Jahr 1991 erkrankt sind, wurden bis heute nicht darauf untersucht, ob ihre Erkrankungen möglicherweise durch hochgiftigen, radioaktiven Uranstaub verursacht wurden. Doch die Antwort eines Ministeriumssprechers auf die Frage nach dem Untersuchungsgegenstand ist wenig ergiebig: „Körperflüssigkeiten“. Welche und woraufhin? „Dazu kann ich nichts sagen. Das unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht.“ Die Methodik unterliegt der Schweigepflicht? „Ja, die Methodik.“ Warum? „Dazu kann ich Ihnen nichts sagen.“ Immerhin könne er mitteilen, dass sowohl Soldaten untersucht worden seien, die in die Nähe von Munitionsresten gekommen sind, als auch ein „Referenzkollektiv“, das damit nicht in Berührung gekommen sei.
Die Kriterien des Ministeriums für diese Unterscheidung bleiben unklar. Denn nachdem die urangehärteten Munitionsprojektile ihr Ziel getroffen haben, bleiben die feinen Uranstäube nicht einfach alle am Aufschlagort liegen. Sie können vom Wind weggetragen werden – bis zu mehreren hundert Kilometern, wie im Irak nachgewiesen wurde. Potenziell sind daher alle über 6.000 Bundeswehrsoldaten gefährdet, die seit Juni 1999 im Kosovo stationiert waren.
Die Regierung in Madrid hat daher jetzt eine Untersuchung der 32.000 spanischen Soldaten angeordnet, die seit 1995 in Bosnien-Herzegowina – wo 1994/95 zum ersten Mal in Europa urangehärtete Munition verschossen wurde –, in Kroatien und seit 1999 im Kosovo stationiert waren. Doch das Bundesverteidigungsministerium beschränkte sich bislang auf die Untersuchung eines „repräsentativen Querschnitts“ der deutschen Kosovotruppe. Auf Nachfragen nach der genauen Zahl der untersuchten Soldaten „möchte“ der Ministeriumssprecher „keine Angaben machen“. Warum nicht? „Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Aber es handelt sich um einen angemessenen Umfang.“
Ist der von den Bio-Monitoring-Tests des Verteidigungsministerums erfasste Zeitraum von maximal etwas über einem Jahr, nachdem die untersuchten Soldaten ihren Kosovo-Einsatz beendet hatten, lang genug, um eine mögliche Erkrankung zum Ausbruch kommen zu lassen? Auch dazu „kann“ der Sprecher „nichts sagen“. Die Soldaten aus Italien, Spanien, Portugal, Belgien und Holland, die inzwischen an Krebs oder Leukämie erkrankt oder bereits gestorben sind, waren alle vor 1999 in Exjugoslawien stationiert – die meisten von ihnen ab 1995 in Bosnien-Herzegowina.
Weiß das deutsche Verteidigungsministerium denn überhaupt, wo genau und gegen welche Ziele die urangehärtete Munition eingesetzt worden ist? Anders ausgedrückt: Haben die USA ihre Verbündeten gut informiert? „Wir haben Kenntnisse über diese so genannten Verdachtsflächen, die durchaus umfassend sind.“ Durchaus umfassend meint der Ministeriumssprecher auch die Fragen der taz beantwortet zu haben: Er gebe diese Auskünfte im Sinne der „Transparenz“. Der Hinweis, dass sich die Brauchbarkeit einer Untersuchung ohne Kenntnis ihres Umfangs und der dabei angewandten Methodik nur schwer beurteilen lässt, führt „zunächst“ zu keinen neuen Erkenntnissen: Er werde die Fragen der taz an das zuständige Fachreferat weiterleiten, erklärt der Ministeriumssprecher. Die Entscheidung darüber, ob weitere Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, müssten Ranghöhere treffen. Nein, es ließe sich nicht genau vorhersagen, wie lange das dauert.
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