: Reizklima in der Kulturpolitik
■ Bremer Kulturentwicklung: Senator Bernt Schulte (CDU) bellt immer lauter gegen Anstoß, die Kulturinitiative bellt zurück
Der politische Ton zwischen SprecherInnen der Bremer Kulturszene und Kultursenator Bernt Schulte (CDU) wird zusehends gereizter. Nachdem sich Schulte lange Zeit verständnisvoll über die Belange der Kulturinitiative Anstoß und des Kulturrates äußerte, findet er nun vor allem für Anstoß andere Worte. Die Initiative sei für ihn kein seriöser Gesprächspartner mehr, sagte der Kultursenator jetzt auf Anfrage. Die Angegriffenen bezweifeln immer lauter Schultes Kompetenz und kritisieren die Entscheidungsschwäche des Senators. Erst kurz vor Weihnachten habe der Senator ein Kulturentwicklungsgespräch kurzfristig wieder abgesagt.
Nach Schultes Auffassung „arbeitet Anstoß mit unlauteren Mitteln“. Zur Begründung bekräftigte der CDU-Politiker seine Kritik an dem von Anstoß und dem Kulturrat verbreiteten Aufruf an alle Kulturinstitutionen, sich der Finanzprüfung durch die ungeliebte Controlling-Gesellschaft „kultur.management.bremen“ (kmb) zu entziehen. Dieser nicht zurrückgezogene Aufruf sei inakzeptabel, sagte Schulte. Zum einen sei diese Einrichtung als betriebswirtschaftliche Abteilung des Senats „formal völlig in Ordnung“. Zum anderen dürfe nicht missachtet werden, dass die Einführung der kmb sowie deren Aufgaben von Bürgerschaft und Senat demokratisch beschlossen worden sind: „Da kann man nicht einfach hergehen und zu einem Boykott aufrufen! Anstoß muss sich an die Spielregeln halten.“
Dieser Vorwurf empört die Gegenseite. Schon zu Beginn der großen Koalition 1995 war der Senat selbst mit politischen „Spielregeln“ nicht zimperlich umgegangen und hatte den bereits unterzeichneten Theatervertrag gekündigt. Die Befolgung von Spielregeln vermisst „Anstoß“-Mitglied Horst von Hassel auch heute noch. Die von SPD und CDU erfundene neue Doppelrolle des kmb-Geschäftsführers Volker Heller als gleichzeitiger Verwaltungsangestellter oberhalb und außerhalb der Kulturabteilung empfindet er als „höchst problematisch“: „Hellers Macht wird sich nicht mehr auf die Entwicklung von Vorschlägen beschränken. Von nun an wird er diese eigenen Vorschläge auch selbst umsetzen können“, befürchtet der Ex-SPD-Bildungssenator. Das weist Schulte zurück: Dem Geschäftsführer „zwei Hüte zu verpassen“ sei doch ein „eleganter Weg“, seine Position zu stärken. Die Behauptung der „Anstoß“-Initiatoren, die kmb entwickele sich immer mehr zu einer „Nebenregierung“ sei falsch. Schließlich liege die Entscheidungsgewalt weiterhin bei der Politik.
Entscheidungsgewalt? Die fände man bei „Anstoß“ gar nicht schlecht. Denn auf vernünftige Entscheidungen warten die Kulturinteressierten um die Galeristin Katrin Rabus und Theaterintendant Klaus Pierwoß bislang vergeblich. Um für diesen Fall Bereitschaft zu signalisieren, bemüht der Dramaturg Ulrich Fuchs die Sprache der Naturwissenschaft: „Wir werden keine pawlowschen Reflexe zeigen.“ Konkrete Kürzungsvorschläge im Kulturetat seien durchaus willkommen. Doch mit dem gestrichenen Geld müssten die Leistungen anderer belohnt werden, fordert Fuchs.
Einen kulturellen Wettbewerb durch Umverteilungen wünschen sich die Initiatoren also an Stelle simpler Kürzungsmaßnahmen. Eine Philosophie, für die „Anstoß“ sogar von der früher auf kulturpolitischem Terrain eher zurückhaltenden Bremer Handelskammer überraschend Unterstützung erhält. Die Forderung des ehemaligen Handelskammer-Präses Bernd Hockemeyer, die Kultur von den geplanten Sparplänen auszunehmen, ist für Schulte „ein Widerspruch“: Hockemeyer selbst habe am zweischneidigen Sanierungskonzept des Investierens und Sparens mitgearbeitet. Und nach dem gehört Kultur auf die Spar-Seite und nicht auf die der Investitionen.
Trotzdem festigt der Schulterschluss mit der Handelskammer die ohnehin starke Position der „Anstoß“-Initiative. Aus Künstlerkreisen wird Kritik nur noch hinter vorgehaltener Hand geäußert. Die Vereinigung diene nur den Interessen des Theaters, ist aus Anonymität wahrenden Quellen zu vernehmen. Völliger Unsinn, sagt dazu Theaterintendant Klaus Pierwoß: „Die allererste Aktion hat schließlich der Durchsetzung einer Design-Ausstellung gegolten.“ Auch die Skepsis, bei „Anstoß“ denke man nicht betriebswirtschaftlich, wird zurückgewiesen. „Bei jedem von uns stimmt die Kasse“, behauptet Katrin Rabus. Als nahes Ziel bestimmt die Galeristin „die Verhinderung der bereits eingeplanten Absenkung im Kulturhaushalt“. Dafür will auch Bernt Schulte kämpfen. Allein an die Durchsetzungskraft des Senators will Rabus nicht glauben.
Johannes Bruggaier
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen