Last-Minute-Reisen werden teurer

Das neue Preissystem der Bahn soll die Verwirrung bei den Ticketpreisen beenden und die Auslastung der Züge erhöhen. Umweltverbände begrüßen billigeres Bahnfahren für Frühbucher und Fernreisen. Aber Kurzentschlossene zahlen mehr

von KATHARINA KOUFEN

Billig Bahnfahren ist eine Wissenschaft für sich. Bis jetzt. Wer von Berlin nach Frankfurt reist, kann derzeit zwischen elf Tarifen wählen. Der „Normalpreis“, also die Kilometerzahl mal 27,2 Pfennig für die zweite Klasse, beträgt 200 Mark. Daneben gibt es zum Beispiel den Sparpreis, den Supersparpreis, das Gute-Abend- und das Schöne-Wochenend-Ticket und die Bahncard. Das alles ändert sich. Ab dem 1. Januar 2002 soll ein neues Preissystem gelten.

„Fexibler und transparenter“ wird es sein, wirbt Bahnchef Hartmut Mehdorn. So gilt auf jeder Strecke künftig nur noch ein Preis. Dabei „wird es eine Degression im Fernverkehr geben“, hieß es gestern aus der zuständigen Planungsgruppe der Bahn: Je weiter man fährt, desto billiger wird der gefahrene Kilometer. Für die Strecke Berlin – Frankfurt würde das bedeuteten, dass sie „nur noch rund 150 bis 200 Mark“ Festpreis kosten würde, schätzt ein Bahnexperte.

Die Sondertarife sollen ersatzlos entfallen, die Bahncard wird billiger: Statt 270 Mark wird sie für die zweite Klasse nur noch 150 Mark kosten, statt 50 aber auch nur noch 25 Prozent Preisnachlass bringen. Dafür soll sie „umfassend auf alle Preise gelten“, sagte Bahn-Aufsichtrsrat Albert Schmidt gestern der taz. Die „Bahncard 25“ ähnele dann dem Generalabonnement in der Schweiz, das auch den Nahverkehr, etwa bei S-Bahnen oder Bussen, verbilligt. „Das wäre ein echter Fortschritt“, meint Schmidt. Noch werde allerdings mit den Verkehrsverbünden darüber verhandelt, wer das zahlt. Strittig ist auch ein weiterer Punkt: Künftig sollen Kinder bis 12 Jahre umsonst fahren. Bei der Bahn fürchtet man nun, weniger Geld von den Ländern zu erhalten, die bislang Schülermontskarten subventionieren.

Der Clou am neuen Preissystem: Frühbucher zahlen weniger. Wer seine Fahrkarte sieben Tage vor Reiseantritt kauft, erhält bis zu 40 Prozent Rabatt auf den Normalpreis, Bahncard-Inhaber sogar 65 Prozent. Auf der Strecke Berlin – Frankfurt würde damit der Fahrpreis von 175 auf rund 70 Mark fallen. In jedem Zug soll es Frühbucherkontingente geben. Die werden umso kleiner sein, je befahrener die Strecke ist.

Für das Unternehmen Bahn bedeutet das, besser planen zu können. Für die Bahnfahrer heißt das: Auf viel befahrenen Strecken wird es zu Stoßzeiten wie Feitagabend und Sonntagnachmittag schwieriger sein, einen günstigeren Tarif zu ergattern, als irgendwo in der Provinz an einem Mittwochvormittag. „Zur Zeit ist der Zug um fünf nach sieben brechend voll, weil alle mit dem Gute-Abend-Ticket fahren, und das gilt halt erst ab sieben. Der Zug um fünf nach sechs ist dafür leer. Da macht die Bahn doch kein Geschäft mit“, meint ein Experte.

Der Verkehrsclub Deutschland hofft, dass das neue Konzept „mehr Verkehr auf die Schiene bringen, weil mehr Leute den Durchblick bei den Fahrpreisen haben“, sagte Bahn-Expertin Petra Niß. Die Eisenbahner-Gewerkschaft Transnet hält es für „richtig, die Auslastung der Züge über die Preise zu steuern“. Auch der Fahrgastverband Pro Bahn begrüßt die Reform. „Gut finden wir, dass es bei früher Buchung attraktive Preise auch auf den kürzeren Strecken gibt. Bislang waren kurze und mittlere Distanzen ohne Bahncard vielen Leuten zu teuer“, sagte der Bundesvorsitzende Karl-Peter Naumann der taz. Helmut Holzapfel, Professor für Verkehrsplanung an der Uni Kassel, kritisiert hingegen das neue Preissystem. Einer der wichtigsten Gründe, warum die Leute lieber Bahnfahren statt zu fliegen, sei die Flexibilität beim Reiseantritt. Daher sei es falsch, diejenigen mit höheren Preisen zu bestrafen, die spontan in den Zug steigen.