: Beamte pro Asyl: Noch die Ausnahme
Verfassungsgericht fordert liberalere Asylpraxis. Auch der Innenminister denkt um. Seine Beamten tun sich schwer
BERLIN taz ■ Wenn es Winter wird in Bayern, trifft sich die CSU traditionell in Wildbad Kreuth. Die tief verschneite Bergkulisse eignet sich hervorragend für Interviews. Der CSU-Europaexperte Christian Schmidt nutzte gestern die Gelegenheit, um ein härteres Asylrecht zu fordern. Wirklich neu ist das nicht. Neu ist aber eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die genau in die andere Richtung zielt.
Ungewohnt deutlich kritisierten die obersten Richter am vergangenen Freitag die Amtsführung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, Klaus Blumentritt. Der seit 1994 amtierende Beamte werde fast immer nur zu Lasten von Asylbewerbern tätig, monierten die Verfassungsrichter, aber fast nie zu Gunsten von Flüchtlingen.
„Das entspricht nicht seinem gesetzlichen Auftrag“, hieß es in der Urteilsbegründung. Der Bundesbeauftragte soll die Entscheidungen des Nürnberger Bundesamts für die Anerkennung von Flüchtlingen überprüfen. Theoretisch kann er gegen alle Entscheidungen des Bundesamts Einspruch erheben. Theoretisch.
In der Praxis hat er bisher fast immer gegen Entscheidungen geklagt, die für Asylbewerber positiv ausfielen. Damit hielt sich der parteilose Beamte folgsam an die Vorgaben seiner Chefs. Die CDU-Innenminister hatten von ihm gefordert, nur dann aktiv zu werden, wenn die Behörde zu großzügig entschieden haben könnte. „Ich habe mir diese Linie nicht selber ausgedacht“, sagte Blumentritt der taz.
Nun muss er sich umstellen. Nicht nur wegen der klaren Worte aus Karlsruhe. Auch aus Berlin hat er inzwischen neue Anweisungen bekommen. Innenminister Otto Schily (SPD) wies Blumentritt schon im vergangen Sommer an, in Zweifelsfällen auch mal zu Gunsten abgelehnter Asylbewerber zu intervenieren. „Damit habe ich kein Problem“, sagt Blumentritt, und „als Beamter mache ich das, was getan werden muss“.
Die Bilanz des ersten halbes Jahres fällt allerdings eher bescheiden aus. Seit der neuen Order aus Berlin wurde Blumentritt in ganzen 16 Fällen „pro Asylbewerber tätig“. Im selben Zeitraum reichte Blumentritt über 1.300 Klagen „contra Asylbewerber“ ein und stellte in mehr als 1.000 Fällen Antrag auf Zulassung der Berufung – zu Ungunsten der Flüchtlinge.
Mehr ist offenbar vorerst nicht drin. Blumentritt sagt, er würde ja gern. Allein, es fehlt an Personal. Der 59-jährige Beamte hat gerade mal 30 Leute zur Verfügung. „Wir können nicht alles machen“, so Blumentritt, „theoretisch müsste man sagen, wenn wir jetzt auch die andere Seite betreuen sollen, dann müsste man auch sagen, wo wir etwas lassen sollen“.
Bei seinem Engagement „pro Asylbewerber“ konzentriert sich Blumentritt deshalb auf „bestimmte Fallgruppen“. Bei Folter, frauenspezifischer Verfolgung und Minderjährigen schaut Blumentritt etwas genauer hin.
Verbessern will Blumentritt auch die Zusammenarbeit mit dem Nürnberger Bundesamt. „Manches könnte man sicher schon abklären, bevor es zur Klage kommt.“ Denn auch dort weht ein neuer Wind, seit Albert Schmid (SPD) die Behörde übernommen hat. Das Bundesamt will „transparenter“ werden und vor Entscheidungen Rat von außen holen. In einem eigens eingerichteten „Expertenforum“ sitzen neuerdings auch Vertreter von Menschenrechtsorganisationen. Vielleicht nehmen sie Blumentritt ja ein bisschen Arbeit ab. LUKAS WALLRAFF
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