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SPD sucht neue Kronzeugenregelung

Wer seine Mittäter verrät, soll künftig mildere Strafen bekommen. Eine spezielle Regelung für rechte Aussteiger soll es aber nicht geben

von CHRISTIAN RATH

Eine spezielle Kronzeugenregelung für die rechtsextreme Szene wird es nicht geben. Dies stellte das Bundesjustizministerium gestern gegenüber der taz klar. Vielmehr diskutierten die Regierungsfraktionen, eine allgemeine Kronzeugenregelung für alle Bereiche der Kriminalität einzuführen. Über die Details berate derzeit eine Arbeitsgruppe von SPD und Grünen. Am Wochenende hatte Innenminister Otto Schily (SPD) darauf hingewiesen, dass eine Kronzeugenregelung auch das von ihm geplante Aussteigerprogramm für Angehörige der rechten Szene fördern könne. Die im Januar vergangenen Jahres ausgelaufene Kronzeugenregelung galt dagegen nur für den Bereich terroristischer Straftaten und organisierter Kriminalität. Sie versprach Aussteigern einen Strafrabatt, wenn diese zur Aufklärung von Straftaten beitrugen.

Die rot-grüne Koalition hatte die befristete Regelung aber nicht mehr verlängert, weil diese wenig konkreten Nutzen gebracht hatte. Bei einem Großteil der Fälle hatten ehemalige Mitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) lediglich bereits inhaftierte Exgenossen belastet. In keinem Fall gelang es, aktive Mitglieder aus der RAF herauszubrechen. Rechtspolitisch war die Kronzeugenregelung ohnehin umstritten, da sie auch Anreize für falsche Anschuldigungen gibt.

Das heißt aber nicht, dass es heute gar keine Kronzeugendeals mehr gäbe. Das Drogenstrafrecht sieht bereits seit 1982 eine „kleine Kronzeugenregelung“ vor, die nach wie vor regelmäßig angewendet wird. Und im Bereich der übrigen Kriminalität kann ein kooperatives Verhalten des Täters schon jetzt mildernd bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.

Dass nun dennoch über eine „neue“ Kronzeugenregelung diskutiert wird, hat vor allem zwei Gründe: Zum einen will die Polizei eine deutlichere Regelung im Gesetz. Potenziellen Kronzeugen will man zeigen, unter welchen Bedingungen das Gericht Strafnachlass gewähren kann. Außerdem sollen die Richter noch mehr Freiheit bei der Strafzumessung bekommen. Für einen Mörder gibt es derzeit nur „lebenslänglich“ – eine Strafmilderung ist unmöglich. Und auch die Mindeststrafe bei anderen Delikten kann nicht unterschritten werden. „Wenn ein Mafioso auspackt, der sich an Schutzgelderpressungen beteiligt hat, muss auch eine Strafe unter fünf Jahren möglich sein“, heißt es im Justizministerium. „Da muss man schon mehr bieten, wenn einer sein Leben riskieren soll.“

Im Strafgesetzbuch soll deshalb mit einem neuen Paragraphen 46 b eine neue Kronzeugenregelung eingeführt werden. Diese soll in den meisten Fällen mittlerer und schwerer Kriminalität gelten. Die Grünen lehnen eine so weit gehende Regelung ab. Doch sie stehen unter Zugzwang, mit der SPD zumindest zu verhandeln. Als die alte Regelung auslief, hatte ihr innenpolitischer Sprecher, Cem Özdemir, zugesagt, dass „nun eine Neuregelung im Strafgesetzbuch“ erwogen werde. Unklar ist aber noch, wie stark sich die Grünen bewegen werden. Der Abgeordnete Christian Ströbele sagte gestern gegenüber der taz: „Wenn nur die bisherige Rechtspraxis bei der Strafzumessung im Gesetz klargestellt wird, kann ich damit leben. Es darf nur keine neue Tür aufgemacht werden.“ Sein Kollege Volker Beck, der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, ging allerdings bereits weiter. Er will das kooperative Verhalten eines Straftäters „noch etwas stärker berücksichtigen als bisher“. Ansonsten verurteilte aber auch er wortreich das „Prinzip des schmutzigen Deals“.

Die Grünen stehen unter Druck der SPD sowie von Union und FDP. Bei der letzten Justizministerkonferenz hatten sich auch alle Länderminister – mit Ausnahme der schleswig-holsteinischen Ministerin Anne Lütkes (Grüne) – für eine neue Kronzeugenregelung ausgesprochen. Der Kriminologieprofessor und jetzige niedersächsische Justizminister Christian Pfeiffer hat in einer jüngst veröffentlichten Untersuchung festgestellt, dass Polizeibeamte, Strafrichter und Staatsanwälte fast durchgängig für die Kronzeugenregelung sind – während sie von Strafverteidigern und Rechtswissenschaftlern nahezu einhellig abgelehnt wird.

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