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Lichtenrade wieder ordentlich

Im größten Hochhausriegel des gutbürgerlichen Viertels sorgt jetzt eine Concierge-Loge für ein subjektives Sicherheitsgefühl bei den Mietern. 30 Kameras und zwei Pförtner bewachen die Treppenhäuser. Einge Bewohner aber fühlen sich kontrolliert

Von KIRSTEN KÜPPERS

Lichtenrade ist ein ordentlicher Stadtteil im Süden Berlins. Die Einfamilienhäuser haben saubere Vorgärten mit Jägerzaun. Im Viertel des sozialen Wohnungsbaus wohnen überwiegend ruhige Rentner. Leerstand gibt es in den 60er-Jahre-Hochhäusern nicht. Die Mieterschaft ist seit Jahrzehnten stabil. Zur Grundversorgung der Bewohner stehen eine Pizzeria, ein Asia-Imbiss und ein Edeka-Geschäft bereit.

Letztes Frühjahr wurde die Beschaulichkeit des Viertel indes gestört: In Lichtenrades größtem Hochhausriegel geschah ein Mord. Eine Rentnerin wurde erschlagen, der Täter floh unerkannt. Mit einem Mal fühlten sich die Mieter der Wohnanlage verunsichert. Man erinnerte sich an einen kleinen Kellerbrand, gelegentlichen Sperrmüll in den Fluren, Graffitis an den Wänden. Der Bezirk dikutierte schon den Einsatz von Quartiersmanagern. Damit wäre das Viertel gleichgezogen mit so genannten städtischen Problemgebieten wie Neukölln oder Wedding.

Die zuständige Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land mbH“ verhinderte dies jedoch mit einer anderen Maßnahme: Sie richtete eine „Concierge-Loge“ in dem Hochhaus ein. Seit 1. November bewachen drei Pförtner über Monitore die Eingangstüren der 208 Wohnungen. 30 Kameras hängen in den Treppenhäusern. Dreimal täglich drehen die Pförtner eine Kontrollrunde.

Damit habe man „die Notbremse für Lichtenrade-Ost“ gezogen, waren die dramatischen Worte des CDU-Bürgermeisters Dieter Hapel bei der offiziellen Einweihung der „Concierge-Loge“ gestern. Der Geschäftsführer von Stadt und Land rechtfertigte die 290.000 Mark teure Investition mit „Man muss den Mietern heutzutage etwas bieten, um ihren Wegzug zu verhindern“. Derzeit übernimmt die Wohnungsbaugesellschaft noch die Kosten des Pförtnerdienstes. Ob diese in Zukunft auf die Mieter umgelegt werden, ist unklar.

Tatsächlich sei das „subjektive Sicherheitsgefühl“ seit der Einrichtung der Concierge-Loge gestärkt worden, erklärte eine Vertreterin des Mieterbeirates. Der habe schon angefragt, ob die Videoanlagen auch in anderen Häusern eingesetzt werden könnten.

Auch die Pförtner Dieter Palik und Christian König sind mit ihrem neuen Job zufrieden. Montags bis freitags besetzen sie die Loge von 7 bis 22 Uhr, Samstags jeweils sechs Stunden. Man schwatze mit den alten Leuten über das Wetter oder gehe sogar bisweilen bei Woolworth für sie einkaufen, sagt Palik.

Trotzdem beschwerten sich einige Mieter auch über die viele Kontrolle. Denen sagt Christian König: „Wer nichts zu verbergen hat, muss das nicht als Bedrohung sehen.“ Trotzdem wollten „einige Kerle“ ausziehen, „weil sie jetzt keinen Mist mehr machen können“. König zuckt mit den Schultern und guckt auf seine Monitore. Eine Frau im 8. Stock kommt aus ihrer Wohnung, blickt schnell in die Kamera und huscht in den Fahrstuhl.

Lichtenrade ist jetzt wieder ein ordentlicher Stadtteil. „Stadt und Land“-Geschäftsführer Günther Adam sagt stolz, sogar der übliche Silvestervandalismus sei dieses Jahr ausgeblieben.

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