: Sautrieb im Freistaat
Sachsens Ministerien feilen an der sportiven Leitkultur und glauben, über den Kampf ins Spiel zu finden, bei dem freilich nicht alle mitmachen dürfen: zum Beispiel Profisportler aus Nicht-EU-Staaten
BERLIN taz/dpa ■ Das sächsische Innenministerium fasste den Beschluss, so genannten Nicht-EU-Ausländern die Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung zu entziehen, wenn sie „allein zum Zwecke des Sporttreibens“ von Vereinen verpflichtet werden. Das bestätigte der Sprecher des sächsischen Kultusministeriums, Steffen Große. Ausgenommen von dieser Regelung ist die Erste Bundesliga, etwa beim Fußball, Eishockey oder Handball. Bestehende Verträge betroffener Spieler in der 2., 3. oder in tieferklassigen Ligen behalten aber ihre Gültigkeit. Die Kontrakte können überdies verlängert werden.
Bereits am 4. Mai vergangenen Jahres wurde auf Initiative Niedersachsens in der Innenministerkonferenz über Pläne zur Begrenzung beraten. Mitte Oktober kamen die Sportminister der Länder zusammen. Im November 2000 folgte eine weitere Beratung, an der auch der Deutsche Sportbund (DSB) teilnahm.
Der Kultusstaatsminister des Freistaats, Matthias Rößler, erläuterte: „Aus Sicht des Sportes geht es um bessere Chancen für sächsische und deutsche Talente in allen Sportarten.“ Es gelte in den kommenden Wochen, die Regelung bundesweit umzusetzen. Der Präsident des DSB, Manfred von Richthofen, erklärte, es sei an der Zeit gewesen, etwas zu tun. „Man kann die deutschen Spieler nicht nur auf die Reservebänke setzen“, sagte von Richthofen. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums wies darauf hin, dass die Initiative auf den sportpolitischen Willen der Länder zurückgehe. Sie diene dazu, den sportlichen Nachwuchs in Deutschland zu fördern.
Der Vorstoß Sachsens löste Unmut aus. Die Vereine, die zuvor nicht in Kenntnis gesetzt wurden, zeigten sich überrascht von der Anweisung des Innenministeriums. Erst Anfang Februar, nach weiteren Beratungen, sollte der Beschluss, Nicht-EU-Ausländer auszuschließen, von allen Bundesländern gemeinsam verabschiedet werden. „Das Vorpreschen von Sachsen wundert uns“, sagte ein Sprecher des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Sport von Sachsen-Anhalt. Der Geschäftsführer des Thüringer Fußball-Verbands, Hans-Günter Hänsel, übte harsche Kritik an der Entscheidung Sachsens: „Die treiben dort doch nur Säue durchs Dorf“, ereiferte er sich. Der Thüringer Verband nehme die Regelung nicht zur Kenntnis, das sei völlig uninteressant und überhaupt kein Thema.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) erklärte, die 2. Liga sei untrennbar mit der Ersten Bundesliga verbunden und müsse von der Regelung ausgenommen werden. Auch andere Verbände wollen eine Sonderbehandlung für sich in Anspruch nehmen. Der Vorsitzende des Handball-Ligaauschusses, Heinz Jacobsen, meinte: „Man kann nicht festlegen, dass Nicht-EU-Ausländer für die ersten Ligen Aufenthaltsgenehmigungen bekommen, aber darunter nicht mehr.“ Das sei für den Handball nicht tragbar.
Sächsische Sportfunktionäre sorgen sich unterdessen um eine Wettbewerbsverzerrung im laufenden Ligabetrieb, da ihre Vereine im Gegensatz zur Konkurrenz aus Bayern oder Brandenburg an lukrativen Verpflichtungen gehindert würden. Sachsen wartete immerhin die Transferfrist des DFB (15. Januar) ab. Dennoch kann der Chemnitzer FC, Sachsen Leipzig oder Stahl Riesa in Zukunft keine spielstarken Profis aus Tschechien, Polen oder Weißrussland in den Freistaat holen.
„Nicht-EU-Ausländer künftig aus vielen Vereinen auszuschließen, steht für mich im klaren Widerspruch zur Demokratie“, kommentierte Thomas Till, Präsident des Regionalligisten FC Sachsen, die Situation und meinte weiter: „Das vereinte Europa rückt mit einer solchen Regelung in weite Ferne.“
Die gegensätzliche Position bezieht Kulturstaatsminister Rößler. Für die lokale und regionale Identität eines Vereins, glaubt er, sei es wichtig, dass ausreichend Spieler aus der Region verpflichtet werden. Längst scheint jedoch nicht der Pass, sondern die Spielstärke für die Fans von Interesse zu sein.
Bei der Neuregelung geht es grundsätzlich darum, ob Nicht-EU-Profisportler ihren Arbeitsplatz frei wählen dürfen. Innerhalb der EU ist dies seit dem Bosman-Urteil klar geregelt. In Italien und Spanien scheiterten ähnliche Initiativen wie die Sachsens vor Gericht. Die dortigen Richter wiesen die Pläne als diskriminierend ab. VÖL
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