: Die Verbraucher neu entdecken
■ Eine andere Agrarpolitik finden in Hamburg und Schleswig-Holstein alle gut
Fast scheint es so, als hätten alle schon lange darauf gewartet: Die „Wende in der Landwirtschaftspolitik“, die Bundeskanzler Gerhard Schröder gestern vollmundig verkündete, fand im Norden ein durchgehend positives Echo.
„Die Ökologisierung der Landwirtschaft ist überfällig, nicht nur wegen BSE“, konstatiert Hamburgs grüner Umweltsenator Alexander Porschke. Das jahrzehntelange Motto „Wir können nur billig – auf Kosten von Qualität, Gesundheit, Umwelt- und Tierschutz“ sei ein struktureller Fehler gewesen, der nun endlich behoben werden könnte. In Hamburg, so Porschke, stünden jedoch vor allem „Probleme wie die Pestizidbelastung“ der ökologischen Produktion von Nahrungsmitteln entgegegen. Auch hier müsse „der Verbraucherschutz Vorrang bekommen“.
Erhebliche Auswirkungen auch auf Hamburg sieht ebenfalls GAL-Landeschefin Antje Radcke. „Wir brauchen mehr Unterstützung für Biohöfe“, auch der Anbau von Obst und Gemüse „muss sich stärker am Gesundheits- und Naturschutz orientieren“. Die Frage der „Genmanipulation von Lebensmitteln“ sieht Radcke erneut in der Diskussion: „Grüner Ansatz bleibt, dass die Konsumenten entscheiden müssen, wie ihre Nahrungsmittel produziert werden.“
Gesunde Ernährung zum Thema im Bürgerschaftswahlkampf zu machen, sieht Hamburgs SPD-Parteichef Olaf Scholz „eher nicht“. Es gebe viele andere wichtige Themen in dieser Stadt, „aber natürlich werden wir auch darüber reden, weil es an die Erwartungen der Menschen anknüpft“. Schließlich würden „alle essen und alle gern sicher sein, dass sie Gesundes essen“, weiß der Altonaer Bundestagsabgeordnete, der auch Mitglied des Fraktionsvorstandes im Bundestag ist. Hamburg habe jedoch „im Verbraucherschutz bereits eine Vorreiterrolle“. Das sieht auch SPD-Bürgermeister Ortwin Runde so, der ebenfalls die Qualität der Lebenmittelkontrolle in der Hansestadt lobt. Deshalb „begrüßt“ er, dass der Neuzuschnitt des bisherigen Agrarministeriums in Berlin jetzt auch bundesweit zur „Verschiebung der Prioritäen im Interesse der Verbraucher“ führen soll.
Das findet auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) gut. Gerade für Schleswig-Holstein, dass durch den ersten BSE-Fall – und inzwischen einen zweiten – einen „unglücklichen Ruf“ bekommen habe, sei dies ausgesprochen wichtig. Wesentlich sei, das die Verbraucher gesunde Lebensmittel einkaufen könnten, ganz gleich ob sie aus ökologischem Landbau oder konventioneller Landbewirtschaftung kämen. Simonis ging damit auf Distanz zur grünen Forderung nach einer anzustrebenden Quote von 20 Prozent für den Bio-Landbau.
Diese bekräftigten sowohl Umweltminister Klaus Müller wie auch Fraktionschef Karl-Martin Hentschel. Beide Grüne freuten sich, dass ihre Partei künftig mehr Einfluss auf die „Umsetzung einer ökologischen und verbraucherorientierten Landwirtschaftspolitik“ bekäme. Der neuen Ministerin Renate Künast wünschten sie bereits für die nächste Agrarministerkonferenz in einer Woche „kräftigen Biss“. Sven-Michael Veit
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