: Hunderte von neuen BSE-Fällen?
■ Mit Vollmilch kein BSE / Könecke: Steaks „ohne Bedenken essen“
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft rechnet mit hunderten weiterer BSE-Fälle in Deutschland. Bundesgeschäftsführer Georg Janßen sagte, vieles deute auf Milchaustauscher für Kälber als Quelle der Seuche hin. „Es muss dringend geklärt werden, woher der Stoff stammt.“ Das Problem wäre nicht aufgetaucht, meinte Janßen, „wenn viele Bauern nicht vor 20 Jahren aufgehört hätten, ihre Kälber mit Vollmilch zu füttern.“
Nach Angaben des Celler Kreislandwirts Georg Rahlfs bezogen neun der zehn von BSE betroffenen Betriebe Austauscher aus Holland. Nur im Celler Fall habe der Bauer den Milchaustauscher aus dem fränkischen Kulmbach bezogen. Mit rund tausend weiteren BSE-Fällen in Deutschland rechnet auch Rahlfs. „Dann haben wir den Geburtsjahrgang 1995 raus.“ Bei den Bauernverbänden, aber auch bei den Behörden, läuft eine fieberhafte Suche nach den Verursachern.
Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Rebecca Harms, hat Landwirtschaftsminister Uwe Bartels (SPD) wegen der BSE-Krise zum Rücktritt aufgefordert. Bartels sei ein „uralter Fahrensmann“ des zurückgetretenen Bundeslandwirtschaftsministers Karl-Heinz Funke (SPD), sagte Harms. Nach dem Wechsel von Funke zur Grünen-Chefin Renate Künast und einem Neu-Zuschnitt des Verbraucherschutzes auf Bundesebene müsse auch „in Niedersachsen der Weg für Neues freigemacht werden“.
Bartels bedauerte derweil den Rücktritt von Bundeslandwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke „zutiefst“. Ein Bartels-Sprecher meinte, der wegen der BSE-Krise zurückgetretene Minister sei ein „fähiger Agrarpolitiker, der eine gute Arbeit geleistet hat.“
Niedersachsens CDU-Vorsitzender Christian Wulff hat die Berufung der Grünen-Vorsitzenden Renate Künast (45) zur neuen Bundeslandwirtschaftsministerin kritisiert. Künast stehe für eine „Verteufelung der konventionellen Landwirtschaft“, sagte Wulff. Sie habe die Ursachen für die BSE-Krise auf eine „industrialisierte Landwirtschaft“ zurückgeführt. Die Fälle von Rinderwahnsinn zeigten allerdings, dass bäuerliche Familienbetriebe betroffen seien. Die Familie Lodemann in Klein Hehlen ist eine davon. Unter Bauern wächst der Protest gegen die Schlachtung kompletter Herden. Am Freitag wollen sich Landwirte auf dem Hof in Klein Hehlen treffen und mit mehr als 100 Traktoren auf die Straße gehen. Seelisch würde es die Lodemanns entlasten, zum Verwaltungsgericht zu gehen und die drohende Tötung ihres Bestandes untersagen zu lassen, sagt Kreislandwirt Rahlfs, aber „selbst wenn sie recht bekämen, so wäre kein Tier mehr zu verkaufen“.
Bremens Wurstwaren-Fabrikant Könecke hat in seinen Werken Bremen, Delmenhorst und Berlin 255 befristet Beschäftigten und Leasing-Kräften wegen des Umsatz-Rückgangs gekündigt. Die Könecke-Geschäftsführer Klaus Kunst und Heinz Lotze erklärten gegenüber dem Weser Report: „Wir empfinden die Debatte als Hysterie und als Panikmache der Medien.“ BSE sei „eine Krankheit wie viele andere“. Nach den bisherigen Forschungen seien nur Hirn und Rückmark betroffen, nicht aber das Muskelfleisch. Also könne man das Steak „ohne Probleme essen“. dpa/taz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen