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Politik und Purismus, zum Exzess getrieben

Starkes Kontrastprogramm: Die „IndepenDanceDays 2001“ eröffnen auf Kampnagel mit zwei gänzlich disparaten Choreografien der Südafrikanerin Robyn Orlin und des Österreichers Willi Dorner  ■ Von Karin Liebe

Was für ein langer Titel: „Daddy, I've seen this piece six times before and I still don't know why they 're hurting each other“. Mit diesem fast unaussprechlichen Bandwurmsatz hat die südafrikanische Choreografin Robyn Orlin ihre neueste Produktion überschrieben, die am Sonnabend das internationale Tanzfestival IndepenDanceDays 2001 auf Kampnagel eröffnet. Und was für ein kurzer Titel: Mazy. So nennt der Österreicher Willi Dorner seine Performance, die einen Tag später am selben Ort ihre Deutschlandpremiere feiert.

So konträr die Titel klingen, so bezeichnend sind sie auch für die unterschiedlichen Ansätze der beiden Choreografen. Hier ausladend, dort puristisch. Robyn Orlin experimentiert multimedial und stellt mit viel Witz und Ironie Körperklischees vom europäischen, weißen Tanz und vom afrikanischen, schwarzen Tanz gleich auf mehreren Bühnen in Frage. Willi Dorner hingegen liebt es äußerst mini-malistisch: Er seziert in konzentrierten Soli und Duos Bewegungsabfolgen des menschlichen Körpers. Zwischen kritisch-humorvoller Auseinandersetzung mit der Kunstform Tanz und strengem Konzept bewegen sich auch die übrigen sieben Produktionen, die aus Australien, Norwegen, Holland, Italien, Frankreich und Deutschland stammen und bis zum 27. Januar auf Kampnagel gastieren.

Robyn Orlins schon mehrfach preisgekrönte Eröffnungsproduktion vermischt Elemente aus Tanztheater, Performance, Video und Cabaret. Die 1955 in Johannesburg geborene Choreografin erzählt in Daddy... von der Aufregung der Tänzer vor einer Premiere. Ihr Stück, so Orlin, „handelt von Liebe, was immer das ist, und von einer Gruppe von Menschen, die einfach kein Stück zusammenkriegen, egal wie stark sie es probieren. Das Stück hinterfragt Tanzformen und berührt natürlich eine ganze Palette von lokalen, politischen Themen.“ Durch ihre kritische Haltung gegenüber konventionellen Tanzformen ist Orlin in ihrer südafrikanischen Heimat bekannt geworden. „Ständige Irritation“ wird dort ihr Stil genannt, der die Probleme zwischen Schwarz und Weiß thematisiert. Tanz interessiert Orlin nur, „weil er politisch sein kann“. Sie versteht sich nicht als Choreografin, sondern ganz postmodern als eine diebische Elster, die sich aus vorhandenen Formen bedient und daraus neuen Müll produziert. In Daddy... steckt sie etwa eine schwarze Tänzerin in ein weißes Ballettröckchen. Als Höhepunkt der Provokation bestäubt sich die Schwarze mit Mehl – Orlins ironischer Kommentar dazu, wie sich schwarze Ballerinas „aufhellen“ müssen, um in die traditionellen ästhetischen Kategorien zu passen.

Bei Willi Dorners klar strukturierter Performance Mazy (auf deutsch: labyrinthhaft) gibt es weder verspielte Tutus noch politische Statements. Von kühlem Neonlicht angestrahlt, konzentrieren sich zwei Tänzer und drei Tänzerinnen ohne Requisiten auf reine Bewegungsformen. Dorner will auf diese Weise das Verhältnis von Körper und Bewusstsein, von Empfindung und Reflexion analysieren. Der Choreograf, Jahrgang 1961, hat sich vom Erzählerischen verabschiedet und vollauf der Theorie zugewandt. Konzeptkunst, die Körperphilosophie der Alexandertechnik und die „Phänomenologie der Wahrnehmung“ des französischen Philosophen Maurice Mer-leau-Ponty haben den Österreicher beeinflusst. So nennt er sein Tanzstück auch eine „Versuchsanordnung, die das Körperbild und ,Zur-Welt-Sein'“ erforscht. Das klingt reichlich spröde, doch den Zuschauern gefällt's: Beim Wiener Tanzfestival „Im Puls“ wurde Mazy 1999 mit großem Erfolg uraufgeführt.

Robyn Orlin: Daddy, I've seen this piece six times before and I still don't know why they 're hurting each other, Premiere 13. Januar, 20.30 Uhr, k6, danach Eröffnungsparty um 22.00 Uhr im Klub N+K mit Afro-Latin-Grooves von DJ Basso Profundo & DJ Harm (freier Eintritt für Tanztheaterbesucher), weitere Vorstellungen: 14., 16. und 17. Januar, jeweils 20.30, k6

Willi Dorner: Mazy, Premiere 14. Januar, weitere Vorstellung: 16. Januar, jeweils 19.30, k2

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