: Bremen holt auf – ein klein wenig
■ Wirtschaftssenator Josef Hattig und seine Geschäftsführer ziehen positive Bilanz / Aber das Wachstum und der Rückgang der Arbeitslosigkeit blieben auch 2000 unter Bundesdurchschnitt
Der Konzern Bremen hat gestern seine Bilanz vorgestellt: Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) gab gemeinsam mit seinen Top-Geschäftsführern Ulrich Keller (BIG), Günther Adelmann (BIS Bremerhaven) und Michael Göbel (HVG) eine Pressekonferenz. „Das Jahr 2000 war für Bremen ein freundliches Jahr“, zog Hattig ein positives Fazit, „Bremen verzeichnete mehr Wachstum, höhere Beschäftigung und sinkende Arbeitslosigkeit.“ Das Land habe sich nach Jahren struktureller Fehlentwicklung zu einem interessanten Wirtschaftsstandort entwickelt. Und die Arbeitslosenquote sei um 1,3 Punkte niedriger als 1999 und liege bei 13 Prozent.
Bei näherem Hinsehen sind die Zahlen allerdings nicht so gut wie ihre offizielle Interpretation. Denn wie im Jahre 1999 lag das Wirtschaftswachstum Bremens auch im Jahre 2000 unter dem Bundesdurchschnitt. Das bedeutet, der Abstand zum Durchschnitt hat sich vergrößert, wenn auch nur geringfügig. Das Wirtschaftswachstum der Großstadt Bremen ist größer als in den strukturschwachen norddeutschen Flächenländern. Bremen liegt ganz knapp vor Hamburg, das seine prozentualen Wachstumsraten allerdings von einem deutlich höheren Ausgangsniveau aus berechnen muss. Auch beim prozentualen Abbau der Arbeitslosenzahlen liegt Bremen unter dem Bundesdurchschnitt.
Der Geschäftsführer der Bremer Investitions-Gesellschaft (BIG), Ulrich Keller, erklärte, Bremen sei als Wirtschaftsstandort „eine Marke“ geworden, dazu hätten die Aktivitäten seiner BIG beigetragen. 45 Hektar Gewerbeflächen sind im vergangenen Jahr vergeben worden, davon 9,7 Hektar an Neuansiedlungen. Von 69 Millionen Mark Wirtschaftsförderung entfielen 17 Millionen auf das Raumsta-tions-Projekt Beos und 24,7 Millionen Mark auf die Airbus-Produktion.
Auch der Geschäftsführer der Hanseatischen Veranstaltungsgesellschaft(HVG), Michael Göbel, berichtete von einem „Rekordjahr“ der Messe Bremen, auch die Stadthalle sei gut ausgelastet gewesen, und im Tourismus gebe es hervorragende Wachstumsraten. Die Grundsatzentscheidung, nicht auf Besucher der Expo zu setzen, sondern bremische Attraktionen wie den „Blauen Reiter“ außerhalb der Expo-Wochen zu plazieren, sei richtig gewesen, meinte Göbel. Auf die Nachfrage, wie denn das Ergebnis seiner HVG „unter dem Strich“ ausgefallen sei, musste er allerdings einräumen, es gebe „selbstverständlich eine Unterdeckung“. Wie hoch das Defizit seiner Gesellschaft sei, das stehe in der Bilanz, die vertraulich dem Aufsichtsrat zugehe, erklärte Göbel. Staatsrat Uwe Färber musste an dieser Stelle korrigieren, dass die Höhe der staatlichen Zuschüsse natürlich im Haushalt stehen und damit öffentliche Zahlen seien, im Kopf habe er sie allerdings auch nicht.
Die Wirtschaftsprüfer der PWC hatten bei ihrer Kritik am mangelhaften Controlling der staatlichen Beteiligungen diese Zahlen zusammengetragen. 1998, so ist dem Bericht zu entnehmen, hatte die HVG ein Defizit von 7,138 Millionen Mark gemacht, etwa genauso viel wie die Flughafen-GmbH. Für das Jahr 2000 war im Staatshaushalt für die HVG ein Zuschuss von 8,747 Millionen Mark eingeplant, allerdings hatte die HVG schon im ersten Halbjahr ihren Etat um 14 Prozent überschritten. Der institutionelle Zuschuss für die Messe-GmbH steht mit 1,2 Millionen Mark im Haushaltsplan 2000, der für die Glocke mit 950.000 Mark.
Bremens Anstrenungen, mit überdurchschnittlichen Investitionen die Wirtschaftskraft zu stärken, müssen fortgeführt werden, betonte Wirtschaftssenator Hattig. Mit 16 Prozent liege die Investitionsquote deutlich über dem Bundesdurchschnitt (12 Prozent). Bis zum Jahre 2010 sollen 8,6 Milliarden Mark für staatliche Investitionen und Wirtschafts-Subventionen ausgegeben werden. Da diese Investitionen Bremens nicht mehr über die Sanierungshilfen finanziert werden können, wird der Bremer Schuldenberg aufgrund dieses Investitionsprogramms von derzeit ca. 20 auf gut 30 Milliarden Mark anwachsen. Was danach komme, so Hattig, darüber könne man heute keine Aussage treffen. Die früheren Erwartungen, dass Bremens Finanzkraft über eine deutliche Steigerung der Einwohnerzahlen gebessert werden könnten, teilt der Wirtschaftssenator dabei nicht mehr. „Das sehe ich heute distanzierter“, erklärte er.
K.W.
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