: Schlag gegen die PKK im Nordirak
Die türkische Regierung schickt 10.000 Soldaten zum Kampf gegen die Kurdische Arbeiterpartei über die Grenze und unterstützt den irakischen Kurdenführer Talabani. Trotz Protesten der USA entsendet sie einen neuen Botschafter nach Bagdad
Aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH
Es war ein Bild voller Harmonie. Jalal Talabani, Chef der irakisch-kurdischen Patriotischen Union (PUK), Arm in Arm mit Bülent Ecevit, dem Ministerpräsidenten der Türkei. Es ist nicht das erste Mal, dass Talabani Ankara besucht, aber nie zuvor ist er so prominent empfangen worden.
Seit Montagabend wird der Kurdenführer aus dem Nordirak durch das außenpolitische Establishment der türkischen Hauptstadt gereicht, selbst der US-Botschafter nahm sich Zeit für ein Treffen. Nach dem Gespräch mit Ecevit äußerte sich Talabani denn auch voller Enthusiasmus über seine neuen Freunde. Sowohl der Ministerpräsident als auch Vertreter des Generalstabs hätten Unterstützung für die PUK zugesagt. Vor allem der Handel soll ausgebaut werden, aber auch humanitäre Hilfe sei zugesagt worden.
Vor noch nicht allzu langer Zeit galt der Kurdenführer aus Sulemaniya in der türkischen Hauptstadt noch als böser Bube. Statt Jalal Talabani war eher sein Erzfeind Massoud Barsani zu Gast bei der türkischen Regierung. Dass Talabani in der Gunst der türkischen Führung nun zu Barsani aufschlossen hat, ist am besten mit dem alten Spruch „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ zu erklären. Seit Monaten tobt in dem von Talabanis PUK kontrollierten Teil des Nordirak entlang der iranischen Grenze ein heftiger Kleinkrieg zwischen den Kämpfern der PUK und der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK).
Nachdem der gefangene PKK-Chef Abdullah Öcalan im letzten Jahr seine Getreuen dazu aufgerufen hatte, den Kampf innerhalb der Türkei einzustellen und sich in sichere Gebiete zurückzuziehen, ist der größte Teil der PKK-Guerilla nach und nach im PUK-Gebiet eingetroffen. Während Talabani anfänglich glaubte, die PKK bei seinen ständigen Reibereien mit der KDP Barsanis benutzen zu können, und sie deshalb freundlich empfing, musste er nach und nach feststellen, dass die PKK ihm die Herrschaft in seinem eigenen Territorium streitig machte.
Mehr als 8.000 PKK-Kämpfer, behauptete Talabani jetzt in Ankara, seien mittlerweile im Nordirak. Sie hätten ganze Dörfer besetzt, die Bauern als Geiseln genommen, Felder vermint und angeblich begonnen, sich auf Dauer einzurichten.
So hatte Talabani sich das ganz sicher nicht gedacht. Deshalb gab es immer häufiger bewaffnete Scharmützel zwischen PUK und PKK. Anfang Dezember eskalierte die Auseinandersetzung zu einem regelrechten Kleinkrieg. Mehr als 5.000 PUK- Kämpfer, so der Interims-PKK Chef Osman Öcalan im Medya-TV, hätten ihre Stellungen angegriffen. Etliche Kämpfer starben auf beiden Seiten.
Ende Dezember behaupteten PKK-Medien bereits, türkische Truppen seien zur Verstärkung Talabanis auf dem Weg nach Suleymania. Diese Meldungen wurden vor einer Woche durch das regierungsnahe türkische Massenblatt Hürriyet bestätigt, das groß herausposaunte, 10.000 Soldaten hätten im PUK-Gebiet im Nordirak Stellung bezogen. Während der türkische Generalstab scharf dementierte, rang Ministerpräsident Ecevit sich zu dem Bekenntnis durch, es handele sich um „technische Hilfe“ für die PUK.
Auch wenn man in der türkischen Hauptstadt nicht offen darüber sprechen will: Regierung und Armee sehen offenbar den Zeitpunkt gekommen, einen letzten großen Schlag gegen die PKK zu landen. Mit Massoud Barsani, dem Chef der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP), die das Gebiet entlang der türkischen Grenze kontrolliert, besteht seit Jahren ein Zweckbündnis.
Kämpfer Barsanis unterstützen türkische Truppen im Grenzgebiet zum Irak regelmäßig gegen die PKK und sind ein wichtiger Faktor für den türkischen Sicherheitskorridor. Barsani, der am Wochenende in Ankara erwartet wird, soll nun offenbar darauf eingeschworen werden, seine Abneigung gegen Talabani so lange zurückzustellen, bis man gemeinsam die PKK erledigt hat.
Um für die PKK auch das letzte Schlupfloch im Irak dicht zu machen, ist die türkische Regierung bereits seit längerem dabei, ihr seit dem Golfkrieg zerstörtes Vertrauensverhältnis zu Saddam Hussein wieder aufzubauen. Kommende Woche wird trotz heftiger US-Proteste wieder ein türkischer Botschafter nach Bagdad geschickt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen