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Sieg im Fernsehstreik

Der Generalintendant des Tschechischen Fernsehens tritt zurück. Redakteure verlangen jetzt noch den Abzug der Nachrichtenchefin

PRAG taz ■ Der Generalintendant des Tschechischen Fernsehens, Jiří Hodáč, ist gestern Nachmittag zurückgetreten. Aus gesundheitlichen Gründen, so sagte er jedenfalls. In der letzten Woche war Hodáč wegen eines Schwächeanfalls ins Krankenhaus gekommen. Inzwischen ist er zwar wieder entlassen worden, hatte jedoch noch nicht mit seiner Arbeit begonnen. Zyniker glaubten schon letzte Woche, der 53-Jährige könnte einen plötzlichen Anfall von Vernunft erleiden und per Krankmeldung den Job als Fernsehchef wieder loswerden. Bis gestern Nachmittag hat sich Hodáč jedoch stur gestellt und alle Aufrufe, sein Amt frei zu machen, ignoriert.

Der Rücktritt erfolgte nur knapp zwei Stunden vor der nächsten Großdemonstration auf dem Prager Wenzelsplatz. Auch in 15 anderen tschechischen Städten waren Demonstrationen angekündigt. Morgen berät das tschechische Parlament durch eine Gesetzesänderung, Hodáč aus der obersten Etage des Öffentlich-Rechtlichen zu entfernen. Das Abgeordnetenhaus will eine Gesetzesänderung verabschieden, durch die der TV-Senderat abberufen wird. Der neue Senderat dürfte nun als Erstes die Aufgabe zukommen, einen Hodáč-Nachfolger zu bestimmen.

Der alte Senderat war schon in den letzten Tagen auseinandergefallen. Gestern trat schon das dritte Ratsmitglied, der von den Sozialdemokraten ernannte Vaclav Erben, zurück. Sie wollten nicht länger einem Gremium angehören, das einen Parlamentsbeschluss zur Abwahl von Hodáč ignoriert, hieß es.

Mit dem Rücktritt Hodáč’ und dem Zerfall des einst neunköpfigen Senderates scheinen die Forderungen der streikenden Nachrichtenredakteure nun erfüllt. Die streikenden Redakteure nahmen die Nachricht von Hodáč’ Rücktritt mit Jubel auf. Nur die neue Nachrichtenchefin Jana Bobosikova hat noch keine Absichten zum Abzug gezeigt. „Wir sehen die Resignation Hodáč’ als positiven Schritt zur Lösung der jetzigen Situation“, so ein Sprecher der streikenden Nachrichtenredaktion gegenüber der taz. „Solange aber Bobosikova noch in ihrer Funktion bleibt, können wir kein konkretes Ende absehen.“ Die Streikenden verlangen außerdem, dass 22 Kündigungen für unwirksam erklärt werden.

Für den Chef der konservativen ODS, Vaclav Klaus, bedeutet der Rücktritt von Hodáč eine schwere Niederlage. Dabei sollte auch der ODS an einer baldigen Lösung der Krise gelegen sein. Denn noch ist offen, ob die politische Krise mit dem Rücktritt von Hodáč beendet ist oder ob die Kritik am Selbstverständnis der Regierungsparteien weitergeht.

ULRIKE BRAUN

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