: Zum Teufel mit der Kohle!
Fritz Teufel ist arm. Klaus Wagenbach oder Hans Magnus Enzensberger dagegen haben Kohle. Was also liegt näher, als dem Exkommunarden den Wolfgang-Neuss-Preis für Zivilcourage zu verleihen?
von KIRSTEN KÜPPERS
Da flackerte fast ein bisschen was vom revolutionären Geist auf, gestern in der Akademie der Künste: Zivilcourage richte sich gegen Staat und Establishment, sagten die StifterInnen des Wolfgang-Neuss-Preises. Diese Widerstandskomponente werde bei den aktuellen Debatten stets vergessen. Sowohl bei der aktuellen Aufarbeitung der militanten Vergangenheit von Außenminister Joschka Fischer als auch in der Rechtsextremismus-Diskussion des letzten Sommers.
Nicht etwas für den Staat, sondern „etwas entgegen den politischen Mainstream zu tun bedeutet Zivilcourage. Auch wenn die Umgebung das als revolutionär ansieht“, erklärte der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele bei der gestrigen Preisverleihung. In diesem Sinne bekam einer die Auszeichnung, der den Begriff immer richtig verstanden hat: der Exkommunarde, Anarchist und selbst ernannte „Spaßguerillero“ Fritz Teufel.
10.000 Mark haben die „Freunde und Freundinnen der Zivilcourage“ für den nach dem Haschrebellen Wolfgang Neuss benannten Preis gesammelt. Zu den 63 illustren Spendern gehören Hans Magnus Enzensberger, Klaus Wagenbach, Volker Schlöndorff, Ekkehart Krippendorff und Robert Gernhardt.
Fritz Teufel bekommt den Preis für seinen Umgang mit Autoritäten. In den Sechzigerjahren war er durch eine Vielzahl schöpferischer Aktionen gegen die Obrigkeit in heftige Konflikte mit der Staatsgewalt verwickelt, die ihm eine Reihe von Prozessen und Haftstrafen eintrugen. Professoren hatte er „Schleimscheißer“ genannt. Legendär ist das „Pudding-Attentat“ der Kommune I auf den amerikanischen Vizepräsidenten Hubert Humphrey. Sprüche wie „So wahr mir Karel Gott helfe“ und „Wenn es der Wahrheitsfindung dient“ wurden vielfach kopiert. In den Siebzigerjahren saß Teufel fünf Jahre in Untersuchungshaft, bevor er schließlich seine Unschuld beweisen konnte. Nachdem Teufel durch seine Beteiligung an den Hausbesetzungen der Achtzigerjahre noch einmal von sich reden gemacht hat, arbeitet der 58-Jährige heute als Fahrradkurier.
Mit dem zum ersten Mal vergebenen Preis zeichneten die „Freunde und Freundinnen der Zivilcourage“ damit einen aus ihren Reihen aus. Einen Alt-68er, der sich jedoch über das Wiedersehen in der Akademie der Künste viel weniger zu freuen schien als alle anderen. Still, fast unbeteiligt saß Fritz Teufel in der ersten Reihe. Vielleicht war ihm das Ganze etwas peinlich, vielleicht waren ihm auch nur die vielen Fotografen lästig. Als ihm der HdK-Professor Jürgen Hoffmann den Scheck überreichte, sagte der kleine Mann mit der Nickelbrille nur: „Danke. Auch an meine ungezeugten Kinder, die mir heute ein Leben in Luxus ermöglichen.“
Das war lustig. Und überhaupt schienen sich außer Teufel alle prächtig zu amüsieren. Viele gratulierten sich, dass man es geschafft hatte, am Sonntag so früh aufzustehen. Andere umarmten sich. Volker Schlöndorff trug eine schwarze Lederjacke. Überhaupt hatte die ganze Veranstaltung etwas von einem Klassentreffen. Es wurde nur wenig von Zivilcourage heutzutage gesprochen. Stattdessen drehte sich vieles um die alten Tage. Ein Dokumentarfilm über das Leben Teufels erinnerte an die Schah-Demonstration, Banküberfälle und Prozesse gegen die Bewegung 2. Juni. Eine Zuschauerin im Publikum erzählte ihrer Nachbarin von Mao-Fibeln, die man ja damals immer dabei gehabt habe.
Immerhin brachte der Kabarettist Arnulf Rating aktuelle Bezüge in seine humorige Einlage. Er hackte ein wenig auf der Atompolitik der als Protestpartei gegründeten Grünen herum.
Und beim Begriff „Zivilcourage“ würden junge Leute heute doch nur fragen, wo man sich das herunterladen könne. Bei diesem Satz meinte man, wenigstens ein leises Lächeln auf Fritz Teufels Gesicht zu erkennen.
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