: Der elektronische Hausarrest ist kein Thema mehr
Im aktuellen Reformpaket der Bundesjustizministerin fehlen Regelungen zur „Fußfessel“, zum Strafgeld für Ladendiebe und Verbesserungen beim Täter-Opfer-Ausgleich
Elektronischer Hausarrest:
Die Idee, Straftäter nicht in den Knast zu stecken, sondern ihre Anwesenheit zu Hause elektronisch zu kontrollieren, ist eigentlich auch eine typische „neue Strafe“. Sie würde die schädlichen Wirkungen des Gefängnisses vermeiden, hätte aber dennoch einschneidende Folgen. Die Grünen fürchten, dass Angehörige unter den Auswirkungen der Haushaft leiden müssen und dass die Sanktion in der Praxis weniger Haft- als vielmehr Geldstrafen ersetzen wird.
Derzeit blockiert Rot-Grün im Bundestag sogar die Einführung einer Experimentierklausel im Strafvollzugsgesetz. Diese Klausel hätte es den Ländern Hamburg und Baden-Württemberg erlaubt, Modellversuche mit dem elektronischen Hausarrest durchzuführen. In beiden Fällen wäre die Haushaft aber nicht einmal als eigenständige Strafe eingeführt worden. In Hamburg wollte man lediglich Gefängnisinsassen vor dem endgültigen Strafende auf das Leben in Freiheit vorbereiten – ein Modell, das auch Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) favorisiert. In Baden-Württemberg sollte der Hausarrest dagegen zum Einsatz kommen, wenn ein Straftäter eine Geldstrafe nicht bezahlen kann. Trotz der Blockade im Bundestag läuft derzeit allerdings ein Modellversuch in Hessen, der keine gesetzliche Änderung erforderte. Dort wird die Haushaft als Bewährungsauflage eingesetzt. Vermutlich will die SPD die Ergebnisse dieses Versuchs abwarten, bevor sie hier den Konflikt mit dem grünen Koalitionspartner sucht.
Strafgeld für Ladendiebe:
Schon kurz nach ihrem Amtsantritt schlug Herta Däubler-Gmelin vor, ertappte Ladendiebe sollten von der Polizei mit einem „Strafgeld“ belangt werden, das ein Mehrfaches des Warenwertes ausmacht. Nach heftiger Kritik von vielen Seiten verfolgt sie den Vorschlag derzeit nicht mehr weiter.
Die Juristenverbände kritisierten, dass hier Polizisten wie Richter agieren. Die CDU störte vor allem, dass eine Straftat de facto wie eine Ordnungswidrigkeit behandelt werde – dies leiste „dem Werteverfall“ Vorschub. Däubler-Gmelin betonte daher, dass ihr Vorschlag eigentlich eine Verschärfung darstelle, weil das polizeiliche Strafgeld stets erhoben werden müsse, während die Staatsanwaltschaften heute viele Fälle ohne jede Sanktion einstellen.
Inzwischen haben Sachsen und Bayern eigene Modelle zur beschleunigten polizeilichen Abwicklung von Ladendiebstahlen entwickelt. Sie kommen aber ohne Gesetzesänderung aus, weil die formelle Entscheidung über die Einstellung eines Falls bei der Staatsanwaltschaft bleibt – nachdem der Ertappte auf Bitten der Polizei einen Geldbetrag an die Staatskasse überwiesen hat.
Diese Verfahren unterscheiden sich also kaum vom Strafgeldmodell von Justizministerin Däubler-Gmelin – das aber von Bayern und Sachsen weiter vehement abgelehnt wird.
Täter-Opfer-Ausgleich:
Seit 1994 ist der Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) auch im Erwachsenenstrafrecht möglich. Der Täter soll sich dabei mit seiner Tat und den Folgen für das Opfer auseinander setzen, sich entschuldigen und wenn möglich Wiedergutmachung leisten. In der Praxis wird der TOA nur selten angewandt, weil ihn viele Strafrichter für zu langwierig halten und ihre Fälle nicht gerne aus der Hand geben.
Aber auch dort, wo es tatsächlich zu einem TOA-Verfahren kommt, findet oft kein professionell angeleitetes Gespräch zwischen Straftäter und Opfer statt, sondern verständigen sich nur die Anwälte über die Zahlung einer Geldsumme. Diese ist häufig sogar noch geringer als der Schadensersatzanspruch, der dem Opfer zivilrechtlich ohnehin zustehen würde.
Als Mittel gegen diese nur mangelhafte Umsetzung des TOA-Gedankens ist dem Ministerium nicht mehr eingefallen als die Mahnung an Gerichte und Staatsanwaltschaft, in jedem Verfahrensabschnitt zu prüfen, ob ein TOA möglich ist. Diese eher symbolische Regelung wurde bereits Ende 1999 in die Strafprozessordnung eingefügt. Im neuen Gesetzespaket spielen die Schwachstellen des TOA keine Rolle mehr. CHRISTIAN RATH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen