: Aufriss im Schwimmbad
Wenn die Vergangenheit und die Gesetzeshüter eine Autofahrerin einholen
Zu den unbedingten Vorteilen des Winters gehört es wohl, dass man im Auto seine Ruhe hat. Selbst die Polizei steigt bei Minustemperaturen nur ungern aus den geheizten Dienstwagen aus, um unschuldige Kraftfahrer zu tyrannisieren. So bietet sich auch nicht die Gelegenheit, Polizisten zu schlagen, nur damit später die Vergangenheit wieder auftaucht. Und sei es auch nur die nahe Vergangenheit des letzten Sommers, den die Jungs in Grün nutzten, mir den Sommerschlussverkauf zu vermasseln.
Und das ging so: Aus einem Auto hält jemand eine Polizeikelle. Zivilpolizei. „Fahren Sie bitte rechts ran.“ Drin: vier mittelalte Männer, die aussehen, als wären sie vom SEK, aber auch den Standardsatz ihrer minderberangten Kollegen auswendig aufsagen können: „Die Papiere bitte!“ In solchen Situationen helfen nur ein freundliches Lächeln und die Wahrheit. Dummerweise besteht die jedoch in genau dem Satz, den Polizisten niemals zu glauben gleich bei der Einstellung schwören müssen: „Die Papiere nehme ich nie mit, weil ich sie dann sowieso nur verlieren würde.“ Deswegen werden die Männer auch gleich misstrauisch. Das merkt man zunächst nur daran, dass sie um das Auto herumstehen und sehr misstrauisch dreinschauen. Auf das Standardrepertoire – Person durchsuchen, Auto durchsuchen, Alkoholtest machen, Reifenzustand überprüfen – kommen sie jedoch ganz einfach nicht. Sie wollen nur ein wenig Autogucken.
„Öffnen Sie bitte die Motorhaube“, sagt der Sportliche. Der Klick, mit dem die Verriegelung von innen gelöst wird, reicht ihm nicht. „Ganz auf!“, sagt er, ein bisschen genervt. „Kann ich nicht, hab ich noch nie gemacht.“ Vorsichtig hebt der Beamte die von einem Jahr Straßenschmutz und Baumsperma völlig verklebte Haube an, schaut entsetzt in den Motorraum und wischt sich danach angeekelt die Hände sauber. Und jetzt? Mmh, da war doch noch was? „Die Papiere!“, ruft der dezent Gekleidete, und mit einem Mal sind alle vier ganz scharf darauf. Und wieder hilft nur die Wahrheit: „Die hat mein Freund, der ist im Prinzenbad.“ Freibad? Gute Idee, da wollen die Jungs jetzt sofort hin, und: „Sie kommen mit!“
Die logische Antwort „Nur, wenn Sie mich anschließend wieder zurückbringen!“ verschreckt sie nicht. Aber vor der geöffneten Dose Cola, die auch mitfährt, bekommen sie gleich Angst. „Nicht kleckern!“, nölt der Fahrer, der Sportliche grinst: „Wär ja auch schade um den kostbaren Perserteppich“, ich erkläre, dass mir als Steuerzahlerin ja sowieso ein bisschen von der Karre gehöre, und gleich ist die Stimmung ganz prima. So direkt Lust aufs Schwimmbad hat dann jedoch keiner, der Sportliche und der kleine Dicke latschen schließlich sehr gelangweilt Richtung Kasse. Wo sie sich brav in der Warteschlange anstellen. Da hilft nur nur massiver Widerstand: „Also, Eintritt zahl ich für den Quatsch nicht!“ Einsatz im Schwimmbad haben diese Polizisten anscheinend noch nicht gehabt. „Un wat machn wa jetz?“, fragt der kleine Dicke seinen Kollegen. Der greift schließlich entschlossen zur Polizeimarke, drängelt sich durch und erklärt der Kassiererin: „Wir sind von der Polizei und müssen hier eine Personenfeststellung machen!“ – „Alle drei?“ – „Ja, alle drei!“ Stimmt gar nicht: „Ich bin nicht von der Polizei!“ Die Umstehenden nicken, hatten sie sich eigentlich auch nicht vorstellen können. Mit Schuhen kommen jedoch auch Polizisten nicht auf die Liegewiese, deswegen entscheiden sie sich, lieber zu warten: „Sie kommen aber zurück, oder?“ Der schließlich präsentierte, vor Jahren von einem Hund halb gefressene Führerschein befriedigt nur bedingt. „Sollen wir ihn einziehen?“, fragt der Sportliche unlustig den anderen, der antwortet: „Wenn du den Papierkram machst!“
Damit ist der Fall erledigt, die Rückreise kann beginnen. Vorher muss der Fahrer jedoch noch streng werden: „Haben die Kollegen Ihnen schon gesagt, was das kostet, die Papiere zu vergessen?“ – „Nö“, antworten die, „hast du Lust auf den Papierkram?“ Hatte er nicht. Warum dann der ganze Aufriss? Keine Ahnung. Aber im Winter passiert so was garantiert nicht. Vor allem, wenn das wracke Auto längst in den Libanon verhökert wurde, wo es sicher demnächst als Autobombe reüssieren wird. ELKE WITTICH
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