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Den Hotline-Bossen einheizen

■ Die Gewerkschaften durchforsten die „Call Center-City“ / Neue Sekretärin will Solidaritätsnetzwerk für Telefon-Jobber

Die Deutsche Postgewerkschaft leistet sich mit der politischen Sekretärin Kornelia Knieper (37) jetzt eine eigene Funktionärin für die Bremer Call-Center-Branche. Kniepers Forderung: Betriebsräte und ein Solidaritätsnetzwerk für Bremens Telefon-Jobber.

taz: Die Branche ist mit gezielter Förderung in jüngster Zeit stark gewachsen. Warum braucht die Call Center City überhaupt Gewerkschaften?

Kornelia Knieper: Man muss die Branche zunächst unterteilen. Bei den internen Dienstleistern herrschen in der Regel gute Bedingungen, wie z.B. in den Call Centern der Telekom. Dort werden Tarifverträge eingehalten, und es gibt Betriebsräte die darüber wachen. Ganz anders ist die Situation bei den externen Anbietern, die unabhängig arbeiten. Die Beschäftigten dort erhalten häufig eine viel zu geringe Vergütung und haben kaum Mitspracherechte in wichtigen Angelegenheiten. Mit einigen großen Unternehmensgruppen wie zum Beispiel Walther oder Sykes führen wir allerdings schon zentrale Verhandlungen.

Wie sehen die Bildschirmarbeitsplätze bei den externen Anbietern aus?

Wir kennen Betriebe, wo die Bedingungen ganz gut sind - etwa unter ergonomischen Gesichtspunkten. Das Lohnniveau ist allerdings fast überall sehr niedrig: 2000 Mark brutto im Monat bei einer 40-Stunden-Woche sind hier keine Seltenheit . Und es gibt viele schwarze Schafe, die - wenn überhaupt - sich nur an gesetzliche Mindeststandards halten, 24 Tage Urlaub im Jahr, regelmäßige Arbeit an Wochenenden und Feiertagen.

Wie viele „schwarze Schafe“ gibt es denn vor Ort? Haben Gewerkschafter Zutritt zu diesen Betrieben?

Dass ist eine sehr heikle Sache. Wir kommen nicht in die Betriebe herein, solange wir dort keine Mitglieder haben. Nach unserem Wissensstand gibt es in Bremen etwa 30 unabhängige Call Center. Nur in zwei von diesen Firmen gibt es gewählte Betriebsräte, wie etwa bei der bundesweit agierenden Telegate. Seitdem die Aktienkurse purzeln, hat sich das Verhältnis zwischen Beschäftigten und Managern der New Economy doch spürbar abgekühlt. Beim Online-Buchhändler Amazon zum Beispiel kämpfen die Mitarbeiter um einen Betriebsrat.

Glauben Sie, dass die Arbeitnehmer der Call Center City auch bald auf die Barrikaden gehen?

Das ist vielleicht etwas übertrieben. Bislang wussten die Leute in Bremen nicht, an wen sie sich wenden können. Deshalb wurde schließlich auch meine Stelle eingerichtet. Wir stellen aber fest, dass die Leute zunehmend versuchen, mit uns in Kontakt zu treten. Bei der landesweiten Hotline, die wir zusammen mit den ver.di-Gewerkschaften anbieten, gehen immer mehr Anrufe ein.

Was sind die Hauptprobleme, über die sich die Mitarbeiter konkret beklagen?

Heftiger Arbeitsstress. In den Unternehmen herrscht ein „Tele-Taylorismus“ - extrem arbeitsteilige Strukturen, die noch dramatischer sind als in einem Maschinenbaubetrieb. Dort können die Fließbandarbeiter im Team meistens noch irgendwie eingreifen und die Fertigung bremsen. Call-Center-Agents können das nicht: Die ACD-Anlagen (Automatic-Call-Distribution) stellen andauernd neue Anrufe durch, die Nachbearbeitungszeiten sind sehr kurz, und die Chefetage kann mittels dieser Systeme peinlich genaue Daten über die Arbeit des Einzelnen einholen. Außerdem sind die Vorgesetzten in der Lage, bei den Gesprächen mitzuhorchen - was allerdings verboten ist. Dort wo Mitarbeiter ganztägig Beschwerdenanrufe entgegennehmen, klagen sie über „emotionale Erschöpfung“. Von anderen hörte ich, sie hätten den ganzen Tag lang einen „Tunnelblick“, weil sie nicht nach links oder rechts schauen und keine eigenen Entscheidungen treffen könnten.

Big Brother am Arbeitsplatz?

Richtig. Und deshalb ist es für die Beschäftigten nützlich, einen Betriebsrat zu haben, der ein Wörtchen mitredet und darauf achtet, dass der Arbeitnehmer-Datenschutz im Betrieb gewahrt bleibt.

Sie planen nun eine Kampagne, um die Beschäftigten in den Call Centern zu mobilisieren. Wie wollen die Bremer ver.di-Gewerkschaften das schaffen?

Unser Hauptziel ist es, ein Netzwerk unter den Beschäftigten aufzubauen, damit sie sich über Probleme austauschen und Strategien entwickeln können, ihre Bedingungen am Arbeitsplatz zu verbessern. Die Gewerkschaften werden hier weitgehend logistische und finanzielle Unterstützung leisten. Wir sind zudem absolut offen, was die Strukturen dieses Netzwerks angeht. Regelmäßige Sitzungen könnten zum Beispiel auch als Stammtisch abgehalten werden, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entscheiden selbst, was gemacht wird: Infobörsen, Arbeitsrechtschulungen, Veranstaltungen zum Beispiel. Die Arbeitgeber haben sich mit dem Call Center City Bremen e.V. bereits einen Interessenverband geschaffen. Jetzt sollten die Call-Center-Mitarbeiter nachziehen und sich auch ein Sprachrohr schaffen.

Fragen: Michael Hollmann

Ein Auftakttreffen für das Bremer Netzwerk der Call-Center-Agents findet am 15. Februar um 15 Uhr in den Räumen der Arbeitnehmerkammer am Hillmannplatz statt. Informationen: Kornelia Knieper (DPG), Tel. 0421-5959830 oder e-Mail: Bezirk.Bremen§dpg.org

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