: Senden trotz Saddam
Die Deutsche Welle verhandelt mit dem Irak über eine Übernahme ihres TV- Programms. Radio auf Arabisch soll folgen. Kritiker befürchten einen Achtungserfolg für das Regime
von STEFFEN GRIMBERG
Zehn Jahre nach Beginn des zweiten Golfkriegs verhandelt die Deutsche Welle über eine Ausstrahlung ihrer Programme im Irak. Erste Gespräche gab es schon im vergangenen Herbst am Rande der TV-Messe Mipcom in Cannes, jetzt liegt vom irakischen Vizeinformationsminister ein offizielles Letter of Intent beim deutschen Auslandsrundfunk vor. Wenn alles nach Plan läuft und die zuständigen politischen Stellen vom Auswärtigen bis zum Kanzleramt grünes Licht geben, könnte DWtv, das dreisprachige Fernsehprogramm der Welle, in wenigen Monaten vom staatlichen Rundfunk des Irak übernommen werden.
Kritiker werfen dem von Sparzwängen gebeutelten Auslandsrundfunk allerdings vor, durch eine solche Vereinbarung letztlich vor allem dem Regime von Saddam Hussein zu nützen. Während sich der Diktator rühmen könne, unabhängige Medien ins Land zu lassen, bleibe deren Einfluss auf die Bevölkerung so gut wie wirkungslos: Zum einen sendet DWtv nur auf Englisch, Deutsch und Spanisch, was weite Bevölkerungsteile per se ausschließt. Das Programm soll darüber hinaus zunächst nur digital verbreitet werden: „Wie viele Menschen können sich ausgerechnet im total verarmten Irak wohl die teure Empfangstechnik leisten“, fragt ein Insider.
„Es geht uns nicht darum, mit dem Regime Hussein handelseinig zu werden“, sagt DW-Sprecher Rolf Siepmann. Auch wenn „es sich im ersten Schritt alles ums Thema Fernsehen“ drehe, soll in einer zweiten Phase auch das arabische DW-Radioprogramm folgen. „Wir wollen klar ein entsprechendes Paket schnüren“, so Siepmann. Ähnliche „Rebroadcast“-Vereinbarungen hat DWtv in der Region bereits mit Jordanien und Palästina.
Etwaige „Rücksichtnahme“ auf irakische Interessen in der Berichterstattung wird es dabei auf keinen Fall geben, versichert die stellvertretende DWtv-Chefredakteurin Barbara Engel: „In Regionen ohne freie Medien präsent zu sein, ist schlicht unser Programmauftrag.“
Nicht zuletzt durch den Golfkrieg-Jahrestag wird derzeit wieder verstärkt über Sinn und Zweck der vor allem von den USA forcierten Sanktions- und Isolationspolitik gegenüber dem Hussein-Regime nachgedacht. Auch der französische Auslandsrundfunk RFI verhandelt gerade mit dem irakischen Informationsministerium über eine Programmübernahme.
Das britische Auslandsfernsehen BBC World hat erst in diesem Monat eine ähnliche Vereinbarung mit China getroffen: Sie beschränkt den Empfang von BBC World sogar auf bestimmte internationale Hotels und Ausländer-Enklaven, wird in London aber dennoch als großer Erfolg gefeiert. „Zum ersten Mal überhaupt hat die chinesische Administration uns damit eine offizielle Lizenz erteilt“, sagt BBC World-Vertriebsdirektor Jeff Hazell. „Zum ersten Mal darf ein westliches Medium offiziell in China senden.“ Natürlich könne auch dies nur ein erster Schritt sein: „Wir wissen, wie groß diese Beschränkung ist.
Aber irgendwo muss man anfangen, nur dann kann auf diesen bescheidenen Anfang der nächste Schritt – wie zum Beispiel die Übernahme in bestimmte Kabelfernsehanlagen – folgen“, sagt Hazell. Zum DW-Vorhaben im Irak fällt sein Kommentar daher uneingeschränkt positiv aus: „Good for them“.
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